Gedränge beim Bestatter

WITTLICH. (red) Bis in die letzte Ecke drängten sich die Menschen während der Ausstellungseröffnung einer ungewöhnlichen Fotoausstellung an einem ungewöhnlichem Ort.

Anwesend waren Dieter Burgard (MdL), Dechant Halffmann und Vertreter von Selbsthilfegruppen und verschiedenen karitativen Organisationen. Musikalisch untermalt wurde die Ausstellung von Mitgliedern des Chors 95 unter Leitung von Regionalkantor Reinhold Schneck. Durch das Programm führte Realschulrektorin Marlies Sachau-Zeies, und Bestattermeister Guido Eis berichtete von seiner Motivation, Ausstellung und Buch zu unterstützen. Laut Eis "sterben die Menschen in unserer Zeit überwiegend hinter den Mauern unserer Kliniken, in Krankenhäusern und in Altenheimen. Durch den fehlenden Umgang mit dem Sterben ist der Gesellschaft auch weithin die Fähigkeit abhanden gekommen, mit Verlusten und Trauer umzugehen. In dieser Situation ist der Bestatter oft der erste - und leider auch immer öfter der einzige - Ansprechpartner. Eis möchte durch Unterstützung des Projekts "Über Sterben und Tod" erreichen, dass das Thema wieder ins Bewusstsein der Menschen gerufen wird. Seiner Meinung nach gehört dazu auch, noch zu Lebzeiten "das Haus zu bestellen". Buchautor Johannes Münninghoff las Texte aus seinem Buch, die seinen persönlichen Bezug zu Sterben und Tod sehr deutlich machen. Er wies auf Parallelen zwischen seinem Gedicht "Susanne" und Nadine Stanges Krankheitsgeschichte hin. Anschließend ließ Nadine Stange, die Fotografin der Bilder, die Anwesenden tief in das Seelenleben eines "sterbenden" Menschen blicken. Bewegt, manche stumm nickend oder auch die eine oder andere Träne wegwischend, lauschten die Besucher ihren Worten, die unter anderem auch von den Missständen unseres Gesundheitssystems berichteten. "Mitten in der Arbeit trifft es eine junge Frau, ohne Vorwarnung, Abducken geht nicht, der Schreck lähmt eiskalt", "Befund übers Telefon, anonym", "die Welt, die da zusammenbrach, die kannte er ja nicht, ich bin ja nur eine Nummer". "Mein Gott, warum muss man mit einer solchen Diagnose unbedingt zur Krankenkasse, um den stationären Aufenthalt genehmigen zu lassen?" Aber auch von Tröstendem und Hoffnungsvollem aus ihrem persönlichen Erleben erzählte sie. "Warme Blicke einer alten Frau an mich, sie lächelte, und dieses Lächeln fiel auf in dieser Atmosphäre, sie fing mich medizinisch und religiös auf, sie sprach mir Mut zu, auch als es noch keine Entwarnung gab". Nadine Stange appelliert an die Besucher: "Sie können nur versuchen, auf Wünsche, Ängste und Sorgen einzugehen, sofern sie es können. Das Wichtigste - was leider auch meist fehlt - ist das Angenommenfühlen, so wie man ist." Das Lied "Am Tag als Conny Kramer starb", gesungen von Konstanze und Valeska Münninghoff, leitete über zum Text "Anne", der sich mit dem Drogentod junger Menschen beschäftigt: "Und während unsere Tränen auf dein Grab fallen, setzt sich ein Schmetterling auf eine der vielen Blumen. Dort wo du bist, bist du froh". Johannes Münninghoff dankte am Ende "all denen, die uns voran gingen" und sprach für sie das Gedicht "Hinter der Wand", welches mit den Worten endet: "Der Himmel wird wohl schon offen sein." Und während der Chor 95 "Wir werden sein wie die Träumenden" sang, bemerkte ein Besucher, "man müsse nur mehr drüber reden" und drückte Autor und Fotografin die Hand. Die Fotoausstellung ist noch bis zum 3. März, von Montag bis Freitag, 8 bis 17 Uhr, in den Geschäftsräumen der Firma Eller-Schrot Bestattungen in Wittlich, Untere Kordel 7, zu sehen. Weitere Informationen unter: www.johannesspricht.de oder www.nadine-stange.de.

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