Missionarin aus Afrika

MARING-NOVIAND. Einst zogen Missionare von Deutschland nach Afrika. Heute leisten Afrikaner Missionsarbeit in der Bundesrepublik. Anzunette Gôagoses versteht ihr einjähriges Praktikum in der evangelischen Wohngemeinschaft Maring-Noviand als eine Mission.

In den ersten drei Monaten ist ihr erstaunliches gelungen. Anzunette Gôagoses hat eine Hand voll Jugendliche für einen Sing- und Gebetskreis gewinnen können. Seit langem besteht eine Partnerschaft zwischen der Vereinigten evangelischen Mission in Wuppertal und der evangelischen Kirche Namibias. Es existiert ein Austauschprogramm für Jugendliche, und im vergangenen Jahr wurde Anzunette ausgewählt, die Partner Gemeinde in Deutschland zu besuchen. Der Leiter des Veldenzer Kinderheimes, Wolf-Rüdiger Pfalz, bot ihr eine Praktikumsstelle an. Sie sollte Jugendliche betreuen, die in der Wohngemeinschaft Maring-Noviand leben, einer Außenstelle des Kinderheimes. Anfängliche Sprachschwierigkeiten sind überwunden. Anzunette lernt Deutsch und bedient sich daneben der englischen Sprache. Die Jugendlichen kommen damit gut zurecht, und wenn es gar nicht anders geht, reden sie mit Händen und Füßen. In Namibia spricht Anzunette Afrikaans und ihre Muttersprache Damara Nama. Damara Nama ist eine Sprache, die aus Vokal-, Klick- und Zischlauten besteht. Familienanschluss fand sie bei Melize und Jürgen Otten, die ihren Glauben teilen und fließend Afrikaans sprechen. Zudem steht sie in Kontakt zu Pfarrer Thomas Berke aus Mülheim. Wenn Anzunette gefragt wird, was sie am meisten vermisst, sprudeln die Sätze nur so aus ihr heraus. Vor allem die Gottesdienste, sagt sie. "Bei uns wird mehr gesungen. Die Menschen in der Kirche sind fröhlich und ausgelassen." Es komme vor, sagt sie, dass während der Predigt jemand aufstehe und rufe: "Prediger, bitte, erzähle mir mehr von der Kraft Gottes, ich höre dir zu". So etwas kann sie sich in einer deutschen Kirche nicht vorstellen. Der Gesang in deutschen Kirchen erinnert sie an Trauergesänge. Sie fragt sich, wo die Freude geblieben ist. Von dieser Freude möchte sie den Jugendlichen erzählen. Mit leuchtenden Augen redet sie weiter, und man spürt etwas von dem Feuer, das in ihr lodert. Ihrer Meinung nach brauchen die Jugendlichen mehr Vorbilder."Euch fehlt der Glaube"

Menschen, die sie an die Hand nehmen und in die Kirche führen. Sie glaubt, dass viele in Deutschland die Augen vor der Gnade Gottes verschließen. "Ihr habt alles, misshandelte Kinder, kaputte Ehen und Reichtum, aber eines fehlt euch, der Glaube." Ein anderes Thema ist die Diskussion um Entschädigungs-Zahlungen für die Ermordung tausender Hereros während der deutschen Kolonialzeit. Sie sagt, dass solche Wunden langsam heilen. Es sei so, dass Deutsche nicht zu den jährlichen Feierlichkeiten anlässlich des Herero Aufstandes eingeladen werden, räumt Anzunette ein. Auf der anderen Seite aber gehe von den Kanzeln der Ruf zur Vergebung aus. Und diesem Ruf folge die Mehrheit ihrer Landsleute. Namibia ist ein christliches Land. Über 80 Prozent der Einwohner gehören einer christlichen Religion an. Für sie selber ist das ein Randthema. Sie möchte in den verbleibenden neun Monaten mit den Jugendlichen um Glaubensfragen ringen. "Das ist mein eigentliches Anliegen", sagt sie.

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