Wenn andere schlafen, zieht sie los

MALBORN. Der Volksfreund ist ihr Leben - wenigstens für eine gute Stunde am frühen Morgen. Ursula Knop trägt den TV aus. Bei Wind und Wetter. Und das seit elf Jahren.

 Liebt es, am frühen Morgen im totenstillen Ort ihre Runde zu drehen: Ursula Knop.Foto: Hans-Josef Loch

Liebt es, am frühen Morgen im totenstillen Ort ihre Runde zu drehen: Ursula Knop.Foto: Hans-Josef Loch

"Eichhann net lang üwerleht, eich hann se direkt gehohl", sagt UrsulaKnop über die Tatsache, dass sie vor elf Jahren Nachfolgerin vonBrunhilde Tiedemann als TV -Austrägerin im1000-Einwohner-Ort Malborn wurde. 90 Zeitungen waren es damals,116 sind es heute. "Bis zu seinem Tod hat mich mein Mann Lorenz unterstützt. Er belieferte die am Dorfrand wohnenden Abonnenten, ich die innerorts", sagt die gebürtige Thalfangerin, deren 63 Lenze man ihr nicht ansieht. Und sie fügt hinzu: "In meinem Lewe war ich noch nicht einmal krank, kein Husten, kein Schnupfen."

Unter anderem härtete sie das Zeitungsaustragen ab. Dabei öffnete der Himmel des Öfteren bei ihrem eineinviertelstündigen Rundgang seine Schleusen. An manchen Tagen war es furchtbar kalt, an anderen gefährlich glatt. Doch Ursula Knop dachte sich: "Augen zu und durch."

Immer das gleiche Ritual, wenn sie heimkommt

Nach dem Job freut sie sich schon auf's Heimkommen. Wie ein Ritual folgt dann jedesmal die gleiche Zeremonie: Mit dem gekochten Kaffee und dem gemachten Brot geht es die Treppe hinauf, dann hockt sie sich auf die Bettkante, genießt ihr Frühstück und legt sich anschließend noch für ein paar Stündchen auf's Ohr.

Da die Tourreihenfolge für die Ausfahrer des TV geändert werden musste, hat sich Ursula Knops Arbeitszeit verschoben. Das bedauert sie, denn sie ist gerne nachts um 2 Uhr durch den totenstillen Ort gegangen. Heute dagegen kann sie erst zwei Stunden später losmarschieren. "Da muss ich mich dummeln (beeilen), damit die Nachrichtenexemplare pünktlich auf dem Frühstückstisch liegen."

Trotzdem geht sie mit den Hühnern um 19 Uhr ins Bett, damit sie fit ist für ihre morgendliche "Walkingrunde", wie Ex-Dorfschullehrer Kurt Bach ihre Beschäftigung sah. Mucksmäuschenstill ist es fast immer, wenn Ursula Knop unterwegs ist. Bis sie mal eines Nachts ein Poltern im Dorfladen hörte. Das waren tatsächlich Einbrecher. Doch die Polizei hatte schon jemand anderes alarmiert.

Später fuhr die Polizei des Öfteren Streife in Malborn. Und da passierte es. Eines Morgens wurde die Mittsechzigerin von ihrer Tochter Tanja - die 20 der 116 Zeitungen austrägt - mit dem Auto mitgenommen. Sie wurden verfolgt. Nachdem Tanja Knop wieder zu ihrem abgestellten und von einem Polizeiwagen versperrten Auto zurückkam, wurde sie von den Ordnungshütern gefragt: "Was machen Sie hier? Sie haben doch eben jemand aussteigen lassen?" Worauf sie antwortete: "Ich trage die Zeitung hier oben zum Bauernhof, meine zuvor ausgestiegene Mutter ist weiter unten unterwegs."

Nach diesem Erlebnis winkt Ursula Knop jedes Mal mit der Zeitung, wenn ihr frühmorgens ein Streifenwagen begegnet. Die rüstige Zeitungsfrau erschrak einmal sehr, als sie die Sirene hörte. Da brannte ein Haus im Ort. Ein anderes Mal alarmierte ihre Tochter die Feuerwehr, als ein Wochenendhaus am Dorfrand in Flammen stand.

Außerhalb des Ortes ist es auch mal unheimlich

Unheimlich ist der Gang zu einem außerhalb des Dorfes liegenden Bauernhof. Dort sichtete Tanja Knop manchmal fremde Autokennzeichen und fragte sich, was dort wohl los sei. Eine Antwort hat sie allerdings nie gefunden. Passiert ist es auch schon, dass vor allem montags Zeitungen entwendet wurden. Da musste nach einer Hinterhaus-Lösung gesucht werden, damit die so genannten "Sportfans" nicht mehr an das an diesem Tag fußballergebnisreiche Blatt gelangten.

Hunde scheinen Zeitungsboten zu mögen. Nur einmal gab es einen Zwischenfall, als ein "Hosentaschen-Terrier" Tanja Knop ansprang, was ohne Folgen blieb. Aber auch Katzen sind nicht immer ohne. Als Ursula Knop eines Morgens den TV in eine Zeitungsrolle stecken wollte, wurde sie von einer angefallen und arg zugerichtet. Später hieß es, es sei die so genannte "Disco-Lady" gewesen, eine Katze, die in den Ruinen der vor Jahren abgebrannten Malborner Diskothek hauste.

Schon Ursula Knops Vater Emil Schmidt und ihre Schwester Mathilde Jung waren TV- Träger. Und so lange sie ihre Füße tragen, will die Malbornerin den morgendlichen "Zeitungs-Sport" ausüben. Ihren Ausgleich holen Mutter und Tochter Knop beim regelmäßigen Grill- und Rommee-Abend seit 25 Jahren samstags bei den Nachbarn Willi und Dagmar Bier. Und sollte mal Oma Knop ausfallen, hilft gerne Dagmar Bier aus.

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