Indianisches Vorbild

KAPPEL. Seit den 70er Jahren beschäftigt sich Gerhard Stümper mit heimischem Damwild als Fleischlieferant für die Region. Die artgerechte umweltschonende Haltung der Tiere steht für den Ersten Vorsitzenden von "Damwildfarming Mitte-West" e.V. dabei im Vordergrund.

 Bei Gerhard Stümper wird das Damwild komplett verwertet. Auch Fell, Geweih und Knochen werden verarbeitet.Foto: Lena Mager

Bei Gerhard Stümper wird das Damwild komplett verwertet. Auch Fell, Geweih und Knochen werden verarbeitet.Foto: Lena Mager

AmAnfang war ein Ideal. Das Ideal vom hundertprozentig ökologischenNutzen. Schuld daran sind die Indianer Nordamerikas. "Es hat michfasziniert", erzählt Gerhard Stümper, "dass die Indianer ihreJagdtiere nicht allein als Fleischlieferanten nutzten, sondernauch alle übrigen Teile der getöteten Tiere sinnvollverwerteten". Diese ganzheitliche Nutzung in einem natürlichenLebensraum, das war es, was ihn und drei andere junge LeuteAnfang der 70er Jahre in der damaligen Bundeshauptstadt Bonnveranlasste, "Wildfarming" ins Leben zu rufen. Stümper grinst:"Fragen Sie nicht, welche Probleme wir am Anfang mit der Ideehatten." Laut Gesetz war es verboten, Wildtiere in Gefangenschaftzu halten. Die wenigen Ausnahmeregelungen reichten nicht aus füreine wirtschaftliche Damwildnutzung. Also mussten ganze Gesetzegeändert werden. Die Reaktion von Öffentlichkeit und Politikblieb trotzdem verhalten. "Die hielten uns für Spinner", erinnertsich Stümper. Mit einem am Wohnzimmerfenster installiertenFernrohr hat Stümper seine Herde ständig im Blick, ohne die Tiereaufzustören. Er sieht sofort, wenn der Platzhirsch von seinemmorgendlichen Sonnenbad am westlichen Hügel des Geheges beiKappel im Hunsrück zum Äsen in den Ostteil aufbricht, neugierigbeobachtet von einer Gruppe Jungtiere, unter denen bereits diezukünftigen männlichen Herausforderer des Chefs heranwachsen. Schweden und Kanadier holen sich Informationen

Die Brunftzeit mit dem Röhren der Hirsche und ihren mächtigen Rangkämpfen sei der Höhepunkt des Jahres, schwärmt Stümper. Mit bloßem Augen sind die Tiere von seinem Haus aus nur braune Tupfen, die sich in der Weitläufigkeit des naturbelassenen grasigen Geheges verlieren. "Damwild lebt auf der Steppe", erzählt Stümper, "die Tiere sind wie Rinder und Pferde Fluchttiere".

Wenn Gefahr drohe, drängen sie sich zusammen, beobachten und machen sich dann davon. Im Kappeler Gehege haben sie ausreichend Fluchtwege. Aus der ganzen Welt sind die Leute angereist, aus Schweden, Kanada, China, um sich bei Stümper über die naturnahe artgerechte Haltung von Damwild zu informieren. Im Laufe der Jahre ist der Mann ein Experte auf dem Gebiet geworden, der gerne auch zu Vorträgen und wissenschaftlichen Beiträgen herangezogen wird.

"Learning by doing" lautete seine Devise, denn wer wusste am Anfang schon wie groß ein Gehege sein muss, damit sich die Tiere natürlich geben können, welche Faktoren Verhalten und Hierarchie innerhalb eines Rudels beeinflussen und natürlich auch, wie sich ein solches Tier möglichst stressfrei töten läßt.

Das zum Fleischverzehr vorgesehene Tier, zwischen 15 und 18 Monate alt, wird in seiner natürlichen Umgebung mit einem Schuss ins Gehirn erlegt. Das Tier bricht auf der Stelle tot zusammen. Auf diese Weise kann es weder das den Fleischgeschmack beeinträchtigende Stress-Adrenalin ausstoßen, noch seine Artgenossen in Panik versetzen.

Intern wird das Fleisch in der Erzeugergemeinschaft weiter verarbeitet. In ausgewählten Metzgereien der Region mit dem Logo der Hunsrücker Damwild Erzeugergemeinschaft findet man die Endprodukte ganzjährig angeboten. Zusätzlich haben sich Abnehmer für Geweih, Fell und Knochen gefunden, um daraus Alltagsgegenstände wie Spazierstöcke zu fertigen. Das Tier wird, wie es Stümpers Ideal von Anfang an entsprach, komplett verwertet und das zusätzlich innerhalb der Region, womit auch die Umweltbelastung durch Transportverkehr auf das Nötigste reduziert wird.

Billig ist das Ganze natürlich nicht. Aber gerade hier muss Qualität ihren Preis haben, beharrt Stümper. Die Kunden schauen seiner Erfahrung nach nicht mehr nur auf die Qualität des Fleisches, sie interessieren sich auch für die Haltung und die Umgebung der Tiere. Während der BSE-Krise, so Stümper, als der herkömmliche Fleischmarkt um 70 Prozent einbrach, verbuchten die Damwildzüchter eine Verdreifachung der Nachfrage.

Zu den Stammkunden zählen Spitzen-Hotels, Veranstalter und Restaurantgrößen wie Lokalmatador Johann Lafer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort