Neue Broschüre des Zweckverbands Region Trier: Eine literarische Würdigung

Eifelkreis Bitburg-Prüm · Es begab sich aber zu dieser Zeit, dass eine Einrichtung mit dem lyrisch klingenden Namen „Zweckverband Abfallwirtschaft Region Trier“ den Bürgern ein Geschenk in den Postkasten steckte: die neue Abfallfibel. Und Leserin Anna Peters, 83 Jahre alt und aus Bleialf, hat sofort erkannt, welches Kunstwerk sich dahinter verbirgt.

Anna Peters aus Bleialf hat ein Haus voller Bücher und einen Kopf voller kluger Ideen. Eine davon hat sie uns in der Weihnachtswoche angetragen: Wir sollen uns doch bitte einmal näher mit den Qualitäten der Abfallfibel befassen. Die hat nämlich der Zweckverband Abfallwirtschaft Region Trier (kurz: "A.R.T.", auf Deutsch also: "K.U.N.S.T.") gerade rausgeschickt. Gern, Frau Peters. Wenn Sie mithelfen, ja?

Frau Peters hilft mit. Und schnappt sich gleich die Broschüre, um vor versammeltem Bücherbestand daraus zu deklamieren. Die Fibel reizt dazu - etwa unter "Tipps für den Sommer": "Um unangenehme Gerüche und vereinzelt auch Madenbefall zu vermeiden, empfiehlt es sich, feuchte Küchenabfälle in Zeitungspapier oder Papiertüten einzuwickeln (z.B. Tageszeitung, Brötchentüte, aber kein farbiges Hochglanzpapier)."

Anna Peters rühmt die Klarheit im Ausdruck der Fibel, den konsequent durchgehaltenen, wie sie es begeistert nennt, "Befehlston". Und die Wirkmächtigkeit der Schrift: Die Fibel erzeuge erfolgreich den Eindruck, "als würden die mit einem Blöden sprechen".

Wie wir inzwischen feststellen, ist Anna Peters nicht die Einzige in den weiten Abfall-Auen der Eifel, die das so sieht. Und mit dem Alter hat es nichts zu tun: Ja, sie sei zwar vielleicht schon 83, sagt sie - "aber kein altes Weibchen, das hier desorientiert rumschlurft".

Desorientiert, super Stichwort: eine weitere Wirkung der Fibel, die man deshalb nur mit Navigationsgerät lesen sollte. Und einem Vergrößerungsglas. Denn sonst, sagt wieder Frau Peters, stehe man vor der geballten Information "wie der Ochs vorm Berg".

Begeben wir uns weiter in die auktorialen Gebirgsmassive der Fibel: Auf Seite 13 finden wir da etwa folgenden Hinweis unter "Altpapier/Blaue Tonne": "Aufkleber und deren Trägerpapiere, Aktenordner, Butterbrotpapier, Durchschreibepapier, Hygienepapiere, Kohlepapier, Papier(taschen)tücher, verschmutzte Pizzakartons, Thermopapier (Fahrkarten, Kassenzettel), Windeln."

Dies alles, so heißt es, "gehört nicht dazu". Schade. Inkludiert sind dafür aber "Zementsäcke ohne Kunststofffolie (jedoch nicht von Baustellen)". Dabei dachten wir bisher, Zementsäcke würden ausschließlich auf Baustellen verwendet. Oder entwendet, wenn der Bauherr grad nicht guckt. Was aber dann immerhin das Entsorgungsproblem löst.

Und während wir noch verzweifelt versuchen, Trägerpapier und Aufkleber voneinander zu trennen ("sollte man da Briefmarken nicht auch gleich abknibbeln?" fragt Frau Peters), fällt uns ein weiterer stilistischer Kniff ins Auge: die Chiffrierung. Gekonnt schickt uns die Fibel nämlich ins Land des Rätselns, weist sie doch im ausklappbaren Hinter-Teil, zumindest in der Eifelkreis-Variante, die kryptischen Kürzel "G" und "U" auf.

GU? "Gänzlich unmöglich", mutmaßt unsere Leserin, ein naheliegender Gedanke. Jedoch verbergen sich dahinter, wie eine ausgiebige Tiefenrecherche ergab, die Begriffe "gerade" und "ungerade" - und zwar für die Wochen, in denen irgendwas abgeholt wird, von dem wir aber nur durch mehrfaches Vor- und Zurückblättern Kenntnis erhalten. Das ist es doch, was man sich von einem literarischen Erzeugnis erhofft. Dass man darin herumspazieren kann wie in einer schönen Landschaft. Chapeau.

Die Fibel brilliert nicht zuletzt auch beim Thema Neologismen, also Wortneuschöpfungen, zum Beispiel auf Seite 12: "Bei Neugeborgenen werden im ersten Lebensjahr einmalig 15 amtliche Abfallsäcke kostenlos ausgegeben."
Man fühlt sich gleich wie neugeborgen: Ein Tippfehler so schön, wie man ihn sonst höchstens im Volksfreund findet. Und auf Seite 15 entdecken wir eine bislang unbekannte Abfallart: "Altgas". Sind Auto-Abgase gemeint? Oder gar Human-Abluft, vulgo Pups? Nein. Es geht dann doch nur um Glas. Schade.

Wie auch das, was man auf Seite 18 findet: "Wer aufgrund eines Antrags auf Befreiung keine Biotonne hat, kann auch keine Bioabfallsäcke nutzen." Gemein irgendwie.

So ist festzustellen, dass die Fibel ein großes Werk mit kleinen, stellenweise unleserlich kleinen, Fehlern ist. Lohnenswert also. Zumal man mit den 35 Seiten länger beschäftigt ist als mit manchem Mittelalterschinken.
"Noch Fragen?", heißt es auf Seite 22. Wir rufen fröhlich zurück: Ja - wann wird denn jetzt eigentlich mein Müll abgeholt?

Der Zweckverband hat inzwischen auf die vielfach geäußerte Kritik reagiert: Man werde deshalb "der bisherigen Tradition folgend die Abfuhrtermine im Amtsblatt in gut leserlicher Form veröffentlichen".

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