Vom Quell des Lebens bis zum Paradies

Einer der größten Schätze Prüms feiert Jubiläum: Vor 100 Jahren begann der Paramentenverein, einen ebenso riesigen wie wertvollen Teppich mit vielen symbolträchtigen Darstellungen zu erschaffen. Heute hängt das gute Stück im Chorraum der Salvator-Basilika.

 Das Prümer Prachtexemplar: Im Mittelpunkt des Teppichs steht ein Brunnen, an dessen Quelle sich zwei Hirsche laben. Weitere wichtige Elemente sind die heilige Stadt Jerusalem, der Lebensbaum sowie der innere und der äußere Bildstreifen. Foto: Theo Esser

Das Prümer Prachtexemplar: Im Mittelpunkt des Teppichs steht ein Brunnen, an dessen Quelle sich zwei Hirsche laben. Weitere wichtige Elemente sind die heilige Stadt Jerusalem, der Lebensbaum sowie der innere und der äußere Bildstreifen. Foto: Theo Esser

Prüm. Die Sankt-Salvator-Basilika in Prüm ist auch in diesem Sommer wieder Ziel zahlreicher Touristen. Wer an einer Führung teilnimmt, der begegnet neben der Reliquie der berühmten "Sandalen Christi" einem weniger bekannten, aber dennoch bedeutenden Ausstattungsstück: dem 50 Quadratmeter großen Chorteppich. "Die Menschen fragen mich dann gezielt danach und wollen alles genau wissen", berichtet Basilika-Expertin Monika Rolef. Sie hat dazu 1999 eine Broschüre herausgegeben.

30 Farben, 60 Einzelteile



Den Besitz des Kunstwerks hat Prüm dem 1868 gegründeten Paramentenverein zu verdanken. Dieser Prümer Frauenclub stellte unter anderem liturgische Gewänder und Altardecken her. Zu seinem 50-jährigen Bestehen 1908 begann die filigrane Arbeit an einem besonderen Altarteppich mit Läufer. Nach Entwürfen, die vermutlich vom Aachener Künstler Franz Wirth stammen, stickten 30 Frauen zehn Jahre lang an dem Kunstwerk. Sie setzten Wolle in 30 verschiedenen Farben ein und fügten 60 Einzelteile zusammen. Ab 1918 lag der Teppich vor dem Hochaltar.

1996 restaurierte Anja Lienemann aus Rupperichteroth (Bergisches Land) den grundgereinigten Teppich, der dazu in den Kindergarten in der Reginostraße gebracht wurde. Seit der Restaurierung hängt er an der rechten Seitenwand im Chorraum der Basilika (siehe Extra).

Der dazu gehörende, ursprünglich 22 Meter lange Läufer wird nur an hohen Festtagen ausgelegt. Er zeigt sieben herausragende Menschen aus der Prümer Klosterzeit, von Bertrada bis Kaiser Lothar I.

Den Mittelteil des großen Teppichs bilden Paradies-Motive. Der Brunnen als Quell des Lebens ist von einem Pavillon umgeben, der das Heilige Grab in Jerusalem nachahmt. Aus der Quelle wächst der Baum des Lebens mit Früchten und Vögeln. Im Hintergrund leuchtet die himmlische Stadt Jerusalem. Ganz oben thronen Sonne, Mond und Sterne.

Um den Mittelteil des Teppichs läuft ein Bildstreifen. Er zeigt die fünf Lebensstufen von der Geburt bis zum Alter. Hinzu kommen die vier Kardinaltugenden: Gerechtigkeit, Klugheit, Mäßigkeit und Tapferkeit.

Der äußere Bildstreifen zeigt das Christus-Lamm, das sich auch im Wappen der Stadt Prüm wiederfindet. Die Männer mit den Krügen an den vier Ecken stehen für die großen Propheten, die vier Paradiesflüsse Gihon, Phison, Euphrat und Tigris für die vier Evangelisten. Tiere symbolisieren die vier Elemente: Erde (Elefant), Luft (Adler), Wasser (Wal) und Feuer (Drachen). Der Phönix erinnert an die Auferstehung Christi.

Viele weitere Schätze der Basilika zeigen wir in unserer Freitag-Ausgabe. EXTRA Verstecktes Schmuckstück: Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde der wertvolle Teppich in Sicherheit gebracht. "Als ich vor etwa 36 Jahren nach Prüm kam, lag er aufgewickelt auf einer Stange im Chorgestühl", erinnert sich Prüms Pastor Robert Lürtzener. Er ließ das versteckte Schmuckstück vor dem Altar ausrollen, zum Schutz teilweise bedeckt durch Decken und andere Teppiche. Den Durchbruch brachte Lürtzeners Idee, das Kunstwerk aufzuhängen. Nach der Restaurierung wurde der Teppich mit Klettband an einer Holzleiste oben an der Wand befestigt. Gut sichtbar, sicher vor Schäden und ideal für die Akustik in der Kirche. (cus)

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