Gewalt gegen Kinder: Ämter greifen durch - Zahl der Fälle in der Region steigt

Trier/Bernkastel-Wittlich · Immer öfter müssen Jugendämter Kinder vor der Gewalt ihrer Eltern schützen. In der Region steigt die Zahl der Minderjährigen, die zu ihrem Schutz in Heime oder zu Pflegeltern kommen.

 Immer mehr Fälle von Kindesmisshandlung, auch in der Region.

Immer mehr Fälle von Kindesmisshandlung, auch in der Region.

Foto: dpa

(wie) Es grenzt an ein Wunder, dass die kleine Anne-Line heute noch lebt. Vier Wochen lang soll sie im vergangenen Jahr, kurz nach ihrer Geburt von ihrem Vater gequält worden sein. Seit gestern muss sich der 32-Jährige, der aus einem kleinen Moselort im Kreis Bernkastel-Wittlich stammt, vor dem Trierer Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, sadistisch veranlagt und gefühllos zu sein. "Ein schlimmer Fall", sagt Ruth Streit, Anwältin des Kindes. Aber kein Einzelfall. Die Polizei ermittelte im vergangenen Jahr in der Region in 70 Fällen von Kindesmisshandlungen (22 mehr als 2007) und 153 Mal wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen. Vor dem Trierer Landgericht werden allein in den kommenden zwei Wochen drei Fälle von Kindesmissbrauch verhandelt - zwei Mal sind Väter angeklagt, einmal der Onkel eines Mädchens. Allein in Trier gab es in diesem Jahr bereits 28 Fälle von Missbrauch und Misshandlung von Kindern - im gesamten vergangenen Jahr waren es 36. "Die Leute sind sensibler geworden, sie zeigen Misshandlungen schneller an, als früher", begründen übereinstimmend die Jugendämter der Region die steigende Zahl von Fällen.
Immer öfter müssen die Ämter eingreifen und bedrohte Kinder aus Familien nehmen und sie in Heime oder zu Pflegeltern geben, zumeist, weil sie vernachlässigt werden. Solche Inobhutnahmen werden immer dann veranlasst, wenn die Eltern die Unterstützung vom Jugendamt nicht annehmen und die Kinder unmittelbar in Gefahr sind. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm wurden in diesem Jahr 22 Minderjährige vom Jugendamt in Obhut genommen, 24 waren es im vergangenen Jahr. Auch im Vulkaneifelkreis musste das Jugendamt häufiger aktiv werden. Dort gab es bislang sieben Fälle (2008: acht). Im Kreis Trier-Saarburg ist die Zahl von 16 im vergangenen Jahr auf bislang 24 gestiegen. Grund für den Anstieg: Der Kreis hat eine eigene Meldestelle für Missbrauchsverdacht geschaffen. 20 Kinder (2008 waren es 21) wurden in diesem Jahr bislang in Trier vorläufig von ihren Eltern getrennt, im Kreis Bernkastel-Wittlich sind es bereits 43 Kinder (mehr als doppelt so viele wie 2008). In schlimmen Fällen kann Eltern das Sorgerecht entzogen werden, das Jugendamt wird dann Vormund der Kinder. In diesem Jahr war das in Trier bereits 28 Mal der Fall.

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