Trierer Stadtrat winkt Defizit-Haushalt 2010 durch

Trier · Der Trierer Stadtrat hat am Mittwochabend mit deutlicher Mehrheit den Haushalt für das Jahr 2010 verabschiedet – trotz eines Defizites von 66,6 Millionen Euro. SPD, Grüne, FDP, Linke und die Mehrheit der CDU erteilten dem Budget mit einem Gesamtvolumen von über 340 Millionen Euro ihren Segen, die UBM hielt dagegen.

Gut 150 Aktenordner mit den Haushalts-Unterlagen fanden Ratsmitglieder, Stadtvorstand und Presse im Sitzungssaal am frühen Mittwochabend auf ihren Tischen vor. Aber gestöhnt wurde nicht nur unter der Last der Papiermassen, sondern vor allem über die desolate Finanzlage der Stadt.

All zu viele Akzente hatten die Bürgervertreter trotz intensiver Beratungen nicht setzen können – Grund genug, sich fraktionsübergreifend über die „bittere Realität“, das „Verhungern am langen Arm“ oder die „fehlende Luft zum Atmen“ zu beklagen. Im Sozialbereich drückte die neue Mehrheits-Koalition einige Maßnahmen mit eher symbolischem Wert durch – wie etwa ein „Verhütungsmittel-Fonds“ für soziale Brennpunkte in Höhe von 20.000 Euro. Die Zuschüsse für Sozial- und Jugendeinrichtungen wurden angehoben, mit Zustimmung der CDU. Aber insgesamt bewegten die Fraktionen mit ihren Anträgen weit weniger als eine Million Euro – eine Summe im unteren Promille-Bereich des Gesamt-Budgets.

Es gab wenig, woran man sich festhalten konnte. Immerhin: Die – wenn auch bescheidene – Erhöhung des Ausstattungs-Budgets und des Investitions-Anteils für die Schulen wurde allseits positiv vermerkt.

Was die Zukunftsperspektiven angeht, blieb es im neuen Rat fast wortgleich bei den Positionen der letzten Jahre: Die Forderung nach mehr Finanzausgleichs-Mitteln von Bund und Land wurde gekoppelt mit dem wenig konkreten Aufruf, alle eigenen Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen und gezielte Personalentwicklung zu betreiben.

Vereinzelt gab es Nachhut-Gefechte zum Kommunalwahlkampf: SPD und Grüne schimpften auf den mangelnden Kooperationswillen der CDU-Dezernenten, die CDU forderte von OB Jensen mehr Beteiligung ein. Aber die große, grundsätzliche Auseinandersetzung blieb aus – zu sehr lasteten die katastrophalen Zahlen auf der Debatte. Offenkundig gab es noch einen weiteren Anlass für die mangelnde Motivation: Die CDU musste darauf Rücksicht nehmen, dass ihre scheidenden Dezernenten keinerlei Lust hatten, grundlegende Umstrukturierungen in Angriff zu nehmen. Und die Ampel-Koalition wollte ihren neuen Dezernenten nicht vorgreifen.

Während Rot-Grün-Gelb trotz hörbaren Bauchgrimmens den Haushalt ohne Wenn und Aber mittrug, geriet die CDU in einen Spagat: Einerseits waren die eigenen Änderungswünsche berücksichtigt worden, andererseits vermisste man durchgreifende Konsolidierungsbemühungen. So musste Fraktionschef Berti Adams ein geteiltes Votum verkünden: Einige seiner Fraktionäre enthielten sich. Einen klaren Kontrapunkt setzte die UBM: Der Haushalt sei rechtswidrig und werde ohnehin an der ADD scheitern, deshalb könne man ihm nicht zustimmen. Ablehnung kam auch vom NPD-Vertreter.

Auf wenig Begeisterung stieß bei allen Fraktionen die neue, „Doppik“ genannte Haushaltsstruktur. Statt Transparenz, so die Kritik, sorge das komplexe Zahlenwerk für Verwirrung.

MEINUNG

Die Galgenfrist

Von Dieter Lintz

Der Trierer Stadtrat hat sich beim Haushalt 2010 – vielleicht zum letzten Mal – der Realität verweigert. Nach der Devise „Augen zu und durch“ wurde die Finanzpolitik der letzten Jahre fortgeschrieben. So gibt es nun eine abenteuerliche Neuverschuldung schon beim Beschluss, und manches spricht dafür, dass sie am Ende noch höher sein wird – wenn die ADD als Kommunalaufsicht nicht schon vorher die Notbremse zieht. Und 2011 dräuen Riesen-Projekte bei der Feuerwehr, dem Theater und der künftigen Gesamtschule.

Man kann den Frust der Mandatsträger verstehen. Aber wenn der Rat nicht bald völlig Schiffbruch erleiden will, wird er eines akzeptieren müssen, egal, wie ungerecht das sein mag: Die heiß ersehnten und dringend benötigten Handlungsspielräume werden nicht von außen kommen. Bund und Land sind genau so pleite wie die Stadt, und die Landkreise haben auch nichts mehr abzugeben. Will heißen: Was die rechte Hand für zukunftssichernde Maßnahmen ausgibt, muss die linke vorher im eigenen Geldbeutel zusammensuchen – oder zusätzlich aus eigener Kraft verdienen. Das tut weh. Und es ist unpopulär. Aber Politiker sind nicht gewählt, um Bonbons zu verteilen.

d.lintz@volksfreund.de

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