Trierer Studenten tragen Bildung zu Grabe

Trier · Gegen völlige Überfüllung und Dozentenmangel an der Uni Trier sowie starre Studienstrukturen demonstrierten am Donnerstagabend rund 800 Studierende in der Altstadt. Einem Trauermarsch vom Viehmarkt zur Porta Nigra folgte eine Kundgebung auf dem Kornmarkt.

Trierer Studenten tragen Bildung zu Grabe
Foto: Roland Morgen

Patricia Fey (21), Medienwissenschafts- und Philosophie-Studentin im dritten Semester, gehen die Gegebenheiten an der Uni Trier „inzwischen ziemlich auf den Geist. Da kann man doch nicht mehr lernen, geschweige denn in vorgegebener Zeit seinen Abschluss machen“. Deshalb hofft sie auf die Wirkung der von ihr mitorganisierten Demo: „Wir wollen aufmerksam machen, wachrütteln. Es muss was passieren. Sonst geht unser Bildungssystem den Bach runter.“

Das sieht Sabrina Ruthemann (23) ebenso: Sie studiert Mathematik, ein Fach, in dem „die Bedingungen noch relativ human sind“, sieht es aber als ihre Pflicht an, ebenfalls auf die Straße zu gehen: „Das ist ein Akt der Solidarität. Wir müssen ein Zeichen setzen – und das mit möglichst vielen Leuten.“

Es sind insgesamt rund 800 Studenten, die sich auf dem Viehmarkt treffen, und Aufsehen erregen sie zweifellos: Die meisten in schwarz gekleidet und die Gesichter weiß geschminkt, schließen sie sich dem „Trauerkommando“ an , das einen Sarg trägt. Das Totenglöcklein bimmelt. „Ruhe in Frieden“ steht auf der Kranzschleife.

Durch Brot- und Simeonstraße zieht die Trauergemeinde zunächst zur Porta. Die Passanten-Reaktionen schwanken zwischen „Wie, schon wieder Halloween?“ und „Richtig so! Viel Erfolg.“ Auf dem Rückweg durch Sim passiert der Trauerzug eine chinesische Touristengruppe, die das Treiben mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Anspannung beobachtet. Doch alles geht völlig friedlich vonstatten. Die den Zug begleitenden Polizisten können sich darauf beschränken, die Fahrradfahrer in der Fußgängerzone zu ermahnen.

Endstation ist der Kornmarkt. Vor dem Georgsbrunnen wird der Sarg abgestellt. Kerzenlicht erhellt das aschfahle Gesicht des „Grabredners“: „Adieu, Bildung!“ Der Protest, den anschließend mehrere Redner über Megafon formulieren, richtet sich nicht nur gegen die völlig Überfüllung der Uni Trier (die für 7000 Studenten gebaut wurde und von 14.000 besucht wird) und die sinkenden Dozenten-Zahlen, sondern auch gegen starre Studien-Strukturen: Vielfach mache die Überfüllung den Besuch von Pflicht-Veranstaltungen unmöglich.

Zentrale Forderungen: mehr Platz, mehr Lehrpersonal, eine bessere Ausstattung der Hochschulen – und Bildung nicht an den Interessen der Wirtschaft auszurichten. An die Stadt geht der Appell, etwas gegen die „katastrophale“ Wohnraumsituation zu tun.

Die Versammlung spendet großen Beifall. Das zufällig am Kornmarkt vorbei kommende Ehepaar Siegfried und Lisa Degenhardt, beide 69 und ehemalige Gymnasiallehrer, findet die Demo hingegen „zu brav, zu bieder, zu angepasst“. Zudem vermissten sie Professoren: „Wie sind die denn geblieben?“

Der Verzicht auf Rabatz ist jedoch nicht unbeabsichtigt. Es sollen weitere Protestaktionen folgen, aber keine solchen, die wie eine Woche zuvor den Verkehr an der Uni lahm legten. Diese Spontan-Demo sei etwas aus dem Ruder gelaufen und in ihrer Auswirkung die Falschen getroffen, hieß es gestern inoffiziell aus Uni-AStA-Kreisen.

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