Politikprofessor Thorsten Faas sagt, was die Landtagswahl 2016 so spannend macht

Nach der jüngsten Umfrage sitzen plötzlich fünf statt drei Parteien im nächsten Mainzer Landtag. Was von den neuesten Prognosen zu halten ist, sagt Wahlforscher Prof. Thorsten Faas im Gespräch mit TV-Redakteur Rolf Seydewitz.

Was hat Sie bei der jüngsten Umfrage am meisten überrascht?
Faas: Dass plötzlich mit der FDP und den Linken zwei Parteien mehr im Mainzer Landtag sitzen. Das ändert einfach die Gemengelage mit Blick auf die Landtagswahl: Vieles ist möglich, vieles ist vorstellbar. Aber was wirklich passieren wird, kann man nicht sagen.

Wovon wird dies abhängen?
Faas: Entscheidend wird sein, welches Thema unmittelbar vor der Landtagswahl diskutiert werden wird. Wenn es weiter das Thema Flüchtlinge ist, nützt dies anderen Parteien, als wenn über Bildungspolitik oder Finanzen diskutiert wird. Welches Thema am Ende das Top-Thema sein wird, weiß man jetzt noch nicht. Das macht es für die Parteien schwierig.

Wie hoch ist Ihrer Einschätzung nach die Wahrscheinlichkeit, dass FDP und Linke in den Mainzer Landtag einziehen?
Faas: Man kann das heute nicht seriös sagen. Es ist knapp, da hängen nur wenige Stimmen dran. Es wird auch davon abhängen, ob am Ende die Spitzenkandidatinnen Dreyer, Klöckner und Lemke den Wahlkampf prägen oder ob es eher um Koalitionsfragen geht. Das wäre für kleine Parteien von Vorteil. Die klare Botschaft der neuen Umfrage: Es ist alles offen!

Die CDU liegt seit knapp zwei Jahren um zehn Prozentpunkte vor der SPD. Inwiefern ist es vorstellbar, dass sich in den wenigen Monaten bis zur Wahl daran noch etwas Wesentliches ändert?
Faas: Da kann es schon noch große Verschiebungen geben. Nehmen Sie die Hamburger FDP: Die war vor der Bürgerschaftswahl im Februar vermeintlich tot und bekam schließlich über sieben Prozent.

Die AfD steht derzeit bei vier Prozent. Wovon hängt ab, ob die Rechtspopulisten den Einzug ins Parlament schaffen?
Faas: Themen wie die Flüchtlingskrise nutzen rechtspopulistischen Parteien natürlich eher als anderen. Andererseits hat die AfD mit den Auswirkungen der Spaltung und Personalquerelen zu kämpfen.

Gibt es in Rheinland-Pfalz Ihrer Einschätzung nach eine Wechselstimmung?
Faas: Schwierig zu sagen. Einerseits hat die CDU in den Umfragen seit längerem einen stabilen Vorsprung von um die zehn Prozentpunkte. Schaut man sich allerdings die Beliebtheitswerte des Spitzenpersonals der Parteien an, verwässert dieser Vorsprung ein wenig. Auch die Zufriedenheitswerte mit der Landesregierung sind ja nicht schlecht. Insofern gibt es derzeit eine seltsame Gemengelage: Die CDU ist zwar klar vorne. Aber ob es am Ende reicht, weiß man trotzdem nicht.

Orakeln wir zum Schluss des Interviews noch ein wenig. Vor fünf Jahren lagen die Umfragen ein halbes Jahr vor der Wahl ganz beim späteren Ergebnis. Was glauben Sie: Wird es dieses Mal genauso sein?
Faas: Das kann passieren. Aber die Schwierigkeit dieses Mal ist, dass die Themen eben nicht wirklich klar sind. Das lange Zeit sehr dominante Thema Nürburgring spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Beim Flughafen Hahn sieht es ähnlich aus. Es wird immer mal wieder über Finanzfragen geredet - was die Wähler aber auch nicht wirklich interessiert. Denken wir an 2011 zurück, als es kurz vor der Wahl die Atomkatastrophe von Fuku shima gab. Etwas Derartiges geschieht dieses Mal hoffentlich nicht, aber die Botschaft ist: Es kann immer etwas passieren, mit dem niemand gerechnet hat. Und zehn bis 15 Prozent der Wähler entscheiden sich erst kurz vor der Wahl. seyExtra

Thorsten Faas (40, Foto: privat) ist Professor für Politikwissenschaft an der Gutenberg-Universität Mainz. Der gebürtige Idar-Obersteiner gehört dem Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wahlforschung an. sey

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