Und plötzlich kostet es das Doppelte: Landtag soll für überraschende 52 Millionen Euro saniert werden

Mainz · Es wirkt wie ein Zahlendreher – statt 25 Millionen Euro soll die Sanierung des Landtagsgebäudes plötzlich 52 Millionen Euro kosten. Waren in der ersten Berechnung doch weder Ausgaben für Baugrund, noch Hochwasser- oder Denkmalschutz vorgesehen. Nun suchen die Verantwortlichen kurz vor Baubeginn nach Sparmaßnahmen.

13,13 Euro. So viel wie für eine Rolle Baumarkt-Tapete soll jeder Rheinland-Pfälzer für die Sanierung des Landtagsgebäudes zahlen. Ein Beispiel, das die Landtagsverwaltung heranzieht, wohl um zu zeigen: So teuer ist das alles doch gar nicht. So viel wie fünf Kilometer Autobahn koste es, das Aushängeschild der rheinland-pfälzischen Demokratie wieder in Schuss zu bringen. 825 Euro pro Kubikmeter Gebäude. Das sei ein völlig normaler Preis.
Diskussionen gibt es dennoch. Hat sich die erste Kostenschätzung der Bauverwaltung doch als völlig unrealistisch entpuppt: Aus 25 Millionen Euro wurden 52. Mehr als das Doppelte (siehe Extra). Hinzuzurechnen sind sicherheitshalber zwei Prozent Preissteigerung und zehn Prozent Risikozuschlag. Macht 58,24 Millionen Euro.
Unglücklich. Insbesondere in Zeiten des Wahlkampfs. Und so sucht eine Baukommission nun - nur wenige Wochen vor dem geplanten Baubeginn - nach Sparmöglichkeiten.

Dabei sind sich alle Parteien einig, dass das Gebäude 64 Jahre nach seinem Wiederaufbau erstmals dringend rundumerneuert werden muss. Ein Film, der auf den Internetseiten des Landtags (Patient Deutschhaus) abzurufen ist, zeigt eindrücklich, warum: Für Besucher gibt es keine richtigen Rettungswege. Sie müssten im Notfall über eine Leiter von der Tribüne nach unten klettern. Der Dachstuhl ist ungedämmt. Die Technik veraltet und alles andere als energiesparend. Wasserleitungen lecken. Für die jährlich 38.000 Besucher fehlen Sitzungsräume, Toiletten und Garderoben. Und Stauraum ist so knapp, dass Fensternischen als Lager dienen.

"Demokratie hat Anspruch auf eine angemessene Arbeitsstätte", sagt Landtagspräsident Joachim Mertes. Wie diese künftig aussehen soll, hat sich - von allen Fraktionen so gewünscht - im Rahmen eines Architekturwettbewerbs gezeigt: Gewonnen hat ein Entwurf des Ludwigshafener Büros Sander/Hofrichter. Das Gebäude soll komplett entkernt werden, ein neues Innenleben, eine barrierefreie Besuchertribüne und modernste Technik erhalten. Dort, wo sich bisher das Restaurant befindet, soll ein moderner Anbau entstehen.

Der größte Kostenfaktor liegt im Verborgenen: Das Deutschhaus ruht auf 92 Eichenpfählen, die schon 285 Jahre alt sind. Da sich die Statik des Gebäudes durch die Entkernung grundlegend verändert, muss der Baugrund verbessert werden. Kosten: 21,8 Millionen Euro. Nächstgrößter Posten ist die Haus- und Medientechnik: 14,5 Millionen Euro. Der Anbau schlägt mit 9,8 Millionen zu Buche. Fassadensanierung und neue Fenster kosten 2,1 Millionen Euro.
Nun sucht eine Baukommission - bestehend aus Vertretern der drei Fraktionen, des Finanzministeriums, der Landtagsverwaltung sowie des Landesbetriebs für die Baubetreuung - nach Möglichkeiten, die Sanierung günstiger zu machen. Zwei Mal hat sie bereits getagt. Am 9. September sollen die Sparvorschläge diskutiert werden. Laut Hans-Josef Bracht (CDU) zählt dazu die Idee, das Dachgeschoss doch nicht auszubauen und stattdessen Büros anzumieten oder jener, die neue Berieselungsanlage nicht unter dem Vorhof sondern im bisherigen Keller unterzubringen. Die Funktionalität solle allerdings nicht leiden. Zwar bezeichnet Bracht es als unverantwortlich, dass unrealistische Kostenberechnungen vorgelegt wurden. Die Sanierung jedoch sei unabdingbar. Auch solle der Bau ordentlich werden. Schließlich handele es sich um ein Repräsentationshaus.

Eine Sichtweise, die selbst der oberste Finanzkontrolleur des Landes teilt. Klaus Behnke, Leiter des Rechnungshofs und Wirtschaftlichkeitsbeauftragter des Landes, sagt: "Ich persönlich bin der Auffassung, dass Demokratie Repräsentation braucht". Ein Landtag müsse sich schon von einem Bürogebäude unterscheiden.

Wie viel das allerdings kosten darf, müssen die verantwortlichen Politiker selbst entscheiden - und verantworten. Behnke hat es abgelehnt, den Bau prüfend zu begleiten. Zwar hat der Finanzfachmann zugesagt, sich die Pläne anzusehen und eine Empfehlung abzugeben. Ob es für jeden Rheinland-Pfälzer bei Kosten in Höhe einer Rolle Tapete bleibt, entscheidet der Landtag allerdings alleine.

Diese elende Schönrechnerei!

meinung

Katharina Hammermann

Hups, wie konnte das nur passieren? Wie aus dem Nichts wird die Sanierung des Landtagsgebäudes mehr als doppelt so teuer. Die einen Politiker zeigen sich überrascht. Die anderen empört. Als wäre in den Jahren der Planung niemand dabei gewesen. Wie die Pressestelle des Landtags mitteilt, handelte es sich bei den 25 Millionen Euro lediglich um eine grobe Kostenschätzung des Grundmodells "Generalsanierung mit kleinem Anbau".

Jeder Politiker und jeder Beamte, der sich näher mit dem Projekt befasst hat, sollte gewusst haben, dass noch viele, viele weitere Millionen Euro hinzukommen. Denn weder die Stabilisierung des komplizierten Baugrunds, noch die Neugestaltung des Außengeländes, noch Hochwasser- oder Denkmalschutz waren in die Kosten eingerechnet.
Warum nicht? Warum wird öffentlich mit derart unrealistischen Zahlen hantiert? Warum wird dem Steuerzahler mal wieder erst dann, wenn alles längst entschieden und zu spät ist, vor Augen geführt, wie viel er wirklich zahlen muss?
Das ist doch, als würde ich ein Käsebrötchen verkaufen und das Mehl erst dann in Rechnung stellen, wenn der Kunde schon hineingebissen hat. Die Rheinland-Pfälzer haben mehr Ehrlichkeit verdient.
k.hammermann@volksfreund.de

Extra Kostensteigerung

2013 schätzte die Bauverwaltung die Kosten der Landtagssanierung noch auf 25 Millionen Euro. Nicht enthalten waren darin allerdings Ausgaben für den Baugrund, den Hochwasserschutz, für Abriss und Neubau des Restaurants, das Außengelände sowie den Denkmalschutz. Nachdem der Wettbewerbsentwurf für den Umbau vorlag, schätzte Finanzstaatssekretär Salvatore Barbaro die Baukosten auf 40 Millionen Euro. Nun, da alles kalkuliert ist, ist mit mindestens 52 Millionen Euro zu rechnen. kah

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