Wenn die Rasenmäher röhren: Dorfbewohner drücken bei lauten Nachbarn eher mal ein Auge zu

Trier · Städter beschweren sich eher über Lärm als Dorfbewohner. In Trier sind dieses Jahr schon rund 150 Lärmbeschwerden eingegangen, in der Verbandsgemeinde Daun, die immerhin fast 23.000 Einwohner hat, nur vier. Doch selbst dort fällt auf, dass Menschen sensibler auf Lärm reagieren.

Samstags auf dem Dorf. Die Mähdrescher rollen, die Feuerwehrsirene heult, Kinder laufen kreischend einem Ball hinterher, der Schrotthändler fährt bimmelnd über die Hauptstraße, Schmidts Hund ist ausgebüxt und jagt bellend eine Katze, Heckenscheren knattern, Rasenmäher röhren, es wird gekärchert, dass es kracht, die Glocken rufen zur Vesper, die Nachbarn haben aus einer Begegnung an der Mülltonne eine Spontanparty gemacht, und später spielt beim Dorffest die Kapelle. Die Geräuschkulisse einer ganz normalen Gemeinde.

Aber ruft man gleich beim Amt an, nur weil es mal ein bisschen lauter ist? Eine TV-Umfrage unter den Ordnungsämtern der Region liefert ein - für manchen vielleicht überraschendes - Ergebnis. Denn ob man zum Hörer greift oder nicht, hängt offenbar nicht nur mit dem Lärmpegel zusammen, sondern auch mit dem Wohnort und der Herkunft des Betroffenen. Trierer haben demnach entweder lautere Nachbarn, sie sind sensibler oder aber sie haben weniger Probleme damit, ihre Mitmenschen anzuschwärzen. So verzeichnet das Rathaus immer mehr Beschwerden wegen Ruhestörung. 144 Einsätze hatte das Trierer Ordnungsamt 2016 bereits. 81 davon nach 22 Uhr. Da die Dienstzeit "nur" bis 0.30 Uhr geht, müssen sich alle späteren Anrufer an die Polizei wenden. Diese führt keine separate Statistik. Doch ist es durchaus so, dass auch die Beamten in Trier öfter mal wegen lauter Partys und sonstigen Palavers ausrücken müssen.

In Bitburg und Wittlich, Konz, Daun oder Hermeskeil sinkt die Zahl der Beschwerden - soweit diese statistisch erfasst wird - zwar auch nicht. Von dem Trierer Trend ist man in Eifel und Hunsrück jedoch weit entfernt. Thomas Brost, Fachbereichsleiter für die Bürgerdienste in der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll, liefert einen Erklärungsansatz: Auf dem Dorf kennt man sich. Daher sei die Schwelle, gegen den Nachbarn vorzugehen, höher.
Für diese These sprechen Zahlen, die zeigen, dass es auf dem Land im Verhältnis zur Einwohnerzahl weniger Klagen gibt. So gehen bei der Verbandsgemeinde Südeifel (19.000 Einwohner) jährlich etwa 30 Beschwerden ein. Die meisten wegen lauter Musik, immer mehr wegen Hundegebells (zuletzt acht) und gleichbleibend viele, weil jemand in der Mittagsruhe den Rasen mäht. Auch Kinder, Sirenen, Glascontainer und Gaststätten bieten Grund zur Klage. In der Verbandsgemeinde Daun, die immerhin fast 23.000 Einwohner hat, sind 2016 lediglich vier Beschwerden eingegangen. In den vergangenen Jahren waren es durchschnittlich sechs.

Dennoch hat Ewald Adams, der Leiter des Dauner Ordnungsamts, den Eindruck, dass Menschen sensibler auf Lärm reagieren als vor einigen Jahren und auch eher bereit sind, die Behörden einzuschalten. Brost führt dies auf den Zuzug von Menschen aus städtischen Gebieten zurück, wo alles anonymer ist. Auch der Tawerner Ortsbürgermeister Thomas Müller beobachtet, dass Menschen, die von außerhalb kommen und die nicht aktiv am Dorfleben teilnehmen, eher zum Hörer greifen. "Die ein oder andere Beschwerde ist auch gerechtfertigt", sagt er. Wenn nachts um drei die Musik im Gemeindehaus noch einmal voll aufgedreht wird, zum Beispiel. Spielende Kinder, jubelnde Fußballfans oder die Kirmes hingegen sind für ihn Geräusche, die zum Dorfleben dazugehören.

Bis zum Bundesverwaltungsgericht hatte sich eine Tawernerin 2013 geklagt, weil sie sich am Lärm der Seilbahn auf dem Kinderspielplatz störte. Die Klage blieb ohne Erfolg. Denn 2011 hat die Bundesregierung mit einer Änderung des Bundesemissionsschutzgesetzes Klagen wie diesen einen Riegel vorgeschoben. Zuvor galt Kinderlärm als schädlicher Umwelteinfluss. Das ist nun nicht mehr so. Rheinland-Pfalz reagierte damals ebenfalls und änderte sein Landes-Immissionsschutzgesetz. Klagen wegen Kinderlärms haben daher so gut wie keine Aussicht auf Erfolg mehr. Aber es gibt ja noch Traktoren, Rasenmäher, Hunde, Kirchenglocken und Dorfkapellen …

Hintergrund Lärmschutz nur bei Neubau

Über 400.000 Menschen sind nach Angaben des Umweltministeriums in Rheinland-Pfalz an Hauptverkehrsstraßen von Lärm belästigt, davon ist etwa ein Viertel in der Nacht gesundheitsschädlichen Lautstärken von mehr als 55 Dezibel ausgesetzt.

Eine generelle Regelung zum Schutz vor Verkehrslärm gibt es in Deutschland nicht. Nur beim Neubau oder der wesentlichen Änderung einer Straße sind zum Lärmschutz Grenzwerte festgelegt.
Um Bürger dennoch besser zu schützen, wurde in Rheinland-Pfalz im Rahmen von Pilotprojekten an mehreren städtischen Hauptverkehrsstraßen nachts Tempo 30 eingeführt. Während das in der Mainzer Rheinstraße bei permanenter Geschwindigkeitsüberwachung funktioniert - der Lärmpegel sank um 3,3 Dezibel - müssen Anwohner der Trierer Saarstraße auch nachts weiter mit ungesunden Lautstärken von mehr als 60 Dezibel leben. Hält sich doch kaum jemand an die Geschwindigkeitsbegrenzung (der Trierische Volksfreund berichtete). Das Pilotprojekt wurde bis Ende des Jahres verlängert. Mos

Extra - Ein Drittel ist genervt

Zwei Drittel (65 Prozent) der Deutschen leiden zu Hause unter Lärm, der von draußen kommt. Das hat eine repräsentative Befragung des Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung Ende 2015 ergeben. Vor allem stört der Geräuschpegel von vorbeifahrenden Autos und Lastwagen - 28 Prozent gaben das an. 19 Prozent beklagen den Lärm durch Gartenarbeiten, etwa von lauten Rasenmähern. Nachbarhunde, Baulärm und Partys stören jeweils zwölf Prozent der Befragten, spielende Kinder sowie vorbeifahrende Züge oder Straßenbahnen sind es bei jeweils elf Prozent. Den Lärm durch die Nachbarn selbst bezeichnen aber nur vier Prozent als störend. Im Auftrag der Interhyp Gruppe wurden 2100 Erwachsene im Juli 2015 befragt. dpa

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