35 Sekunden bis zum Geständnis

Neue Details zur Affäre um zerstörte Vernehmungsmitschnitte des US-Geheimdienstes CIA: Der frühere Agent John Kiriakou hat die umstrittene Verhörmethode des simulierten Ertränkens als Folter bezeichnet.

Washington. Wochenlang, so erinnert sich der frühere CIA-Agent und Verhörspezialist John Kiriakou, habe der im März 2002 festgenommene El-Kaida-Terrorist Abu Zubeida die CIA-Führung zur Verzweiflung gebracht. "Er war überhaupt nicht kooperativ. Doch wir ahnten, dass er jede Menge wichtige Details wusste." Dann kam der Tag, in dem Zubeida - während seiner Festnahme in Pakistan bei einem Schußwechsel verletzt - in einem CIA-Geheimgefängnis dem berüchtigten "waterboarding" ausgesetzt wurde: Das hochrangige El-Kaida-Mitglied wurde zunächst auf ein Holzbrett geschnallt. Dann umwickelten die Vernehmungsbeamten den Kopf des auf dem Rücken Liegenden mit Zellophan. Anschließend ließ man Wasser auf den Mund des bewegungsunfähigen Gefangenen strömen. "Er hat das Wasser zwar nicht in die Kehle bekommen, aber stand unter dem Eindruck, er würde ertrinken," schilderte jetzt Kiriakou in mehreren US-Fernsehsendern die Prozedur. Nach nur 35 Sekunden habe Zubeida darum gebettelt, aufzuhören - das Ziel des Verhörs war erreicht. Kiriakou, der heute nicht mehr der CIA angehört und deshalb auch nicht der Schweigepflicht unterliegt, ist das erste amerikanische Geheimdienst-Mitglied, das mit seinen detaillierten Aussagen öffentlich bestätigt, was Menschenrechts-Organisationen schon lange befürchtet haben: Dass Verhörmethoden wie "waterboarding" durchaus als Folter eingestuft werden können - obwohl US-Präsident George W. Bush in seinen Reden stets darauf beharrt: "Wir foltern nicht." Seit dem Geständnis ein wichtiger Informant

Doch wie sich das simulierte Ertränken, bei dem der Gefangene schnell in Panik gerät und Todesängste bekommt, bei Zubeida auswirkte, ließ sich am Tag nach der Sonder-Behandlung ablesen. "Er sagte uns, Allah sei ihm nachts in der Zelle erschienen und habe ihm zur Kooperation geraten." Von diesem Zeitpunkt an entpuppte sich Zubeida, der heute in Guantánamo Bay einsitzt, offenbar als Quelle wichtiger Informationen. "Seine Insider-Informationen haben eine ganze Reihe von Anschlägen verhindert," sagt Kiriakou, "und damit wahrscheinlich Leben gerettet." Die CIA-Agenten hätten damals - ein halbes Jahr nach den Anschlägen vom 11. September - unter erheblichem Druck gestanden, Resultate zu produzieren. "Man hatte Angst, dass eine größere neue Terrorattacke bevorstand." Die Verhörtechniken seien im einzelnen von der Geheimdienst-Zentrale vorgegeben worden, wobei Kiriakou offenbar keine moralischen Skrupel hatte. Er halte heute "waterboarding" für Folter, so der Ex-Agent, doch die Ereignisse des 11. September 2001 hätten damals das harte Vorgehen gerechtfertigt - zumal Zubeida bei jeder Gelegenheit versichert habe, er würde wieder Amerikaner töten. Auch bei einem zweiten Häftling - dessen Namen Kiriakou nicht nannte - hätten die Verhörmethoden schnell gewirkt. Gemeint ist damit vermutlich der Chefplaner der Attacken vom 11. September, Khalid Scheich Mohammed. Auch er habe, wie in US-Regierungskreisen zu hören ist, zunächst geschwiegen, doch er sei dann ebenfalls durch "waterboarding" zum Reden gebracht worden. Kiriakou war seinen Angaben zufolge nicht bewußt, dass die CIA damals einen großen Teil dieser Verhöre auch in Bild und Ton aufzeichnete. Die Umstände der Löschung dieser Videoaufzeichnungen im Jahr 2005 beschäftigen seit gestern auch den US-Kongress. Der amtierende CIA-Chef Michael Hayden, zum Zeitpunkt der Lösch-Aktion noch nicht im Amt, soll bei Sitzungen hinter verschlossenen Türen sowohl Mitgliedern des Senats wie auch des Repräsentantenhauses Rede und Antwort stehen. Löschung der Bänder nie verboten

Unter anderem steht dabei auch die Frage im Mittelpunkt, warum das Weiße Haus zwar Berichten zufolge gebeten hatte, die brisanten Bänder aufzubewahren - jedoch niemals explizit eine Löschung verboten hat. Innerhalb der CIA hatte man argumentiert, mit der Zerstörung der Aufnahmen seien an den Vernehmungen beteiligte Agenten vor Racheakten der Terroristen geschützt worden. Kritiker des Vorgangs sehen jedoch vor allem den Versuch, brutale und möglicherweise illegale Verhörmethoden des Geheimdienstes zu vertuschen.

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