Ärger im Job schlägt auf die Psyche

MAINZ. "Ausgebranntsein", Ängste und Depression machen vor allem Arbeitnehmern zunehmend zu schaffen. Auf den Besorgnis erregenden Anstieg der psychischen Erkrankungen durch Stress und Arbeitsdruck reagieren Krankenkassen und Uni Mainz mit einem Modellprojekt zur Soforthilfe.

Panikattacken statt Motivation, Niedergeschlagenheit statt Lebensfreude: Für immer mehr Menschen bringt der rasante Wechsel in der Arbeitswelt mit Stress, Überforderung und Job-Angst massive gesundheitliche Probleme mit sich. Was die Betroffenen Nerven, Wohlbefinden und nicht selten eine allgemeine positive Einstellung kostet, schlägt bei Krankenkassen und Unternehmen als Kostenfaktor zu Buche. Mehr als 50 Krankheitstage pro 100 Versicherten gehen nach dem neuesten DAK-Gesundheitsreport auf psychische Erkrankungen wie depressive Störungen oder Angststörungen zurück. In ausgeprägten Fällen sind laut neuesten Studien Patienten im Jahr durchschnittlich 60 Tage arbeitsunfähig. Und dabei handelt es sich in der Regel nur um die Spitze eines Eisbergs, bleiben doch immer noch ein Vielzahl Erkrankungen auf diesem Feld unentdeckt oder werden bewusst verschwiegen. Psychische Probleme beeinträchtigten nicht nur Wohlbefinden und persönliche Lebensqualität, sondern wirkten sich auch nachteilig auf die berufliche Leistungsfähigkeit aus, sagt Professor Wolfgang Hiller vom Psychologischen Institut der Uni Mainz. An seiner Poliklinischen Institutsambulanz wird in Kooperation mit den Ersatzkassen das Modellprojekt "AU-Psych Direkt" eingerichtet, um über psychotherapeutische Soforthilfe bei der Bewältigung von Arbeitsunfähigkeit (AU) zu unterstützen. Zu wenig Betroffene sind bisher aus Hillers Erfahrung in Fachbehandlung. Ängste und Depressionen entstehen oft aus einem verhängnisvollen Kreislauf zwischen psychischer Belastung, Leistungsversagen und Zukunftsängsten. Sie führen nach Angaben des Wissenschaftlers häufig zu verringerter Belastbarkeit, zu Schlafstörungen und in der Folge auch zu Erschöpfung. Das neue Behandlungsangebot, das niedergelassene Ärzte einbezieht, richtet sich vor allem an die mehr als 50 Prozent der Betroffenen, die bisher zwar bei Haus- oder Facharzt in Behandlung sind, aber mehr oder weniger ohne psychotherapeutische Beratung bleiben.Teure Klientel für das Gesundheitswesen

Mit dem Erlernen von Entspannungstechniken und Methoden zur Bewältigung von Stress und Ängsten oder Druck am Arbeitsplatz soll innerhalb von 15 Wochen in Gruppengesprächen Soforthilfe geleistet werden. Studien belegten, dass Patienten mit psychischen Erkrankungen und psychosomatischen Störungen eine ausgesprochen teure Klientel für das Gesundheitswesen seien, Hiller. Von knapp 120 Millionen Euro Krankheitsausfallkosten jährlich geht die Krankenkasse AOK allein für Rheinland-Pfalz in diesem Bereich aus. Doch die psychischen Erkrankungen sind nicht nur in Deutschland auf dem Vormarsch. Vor Jahren bereits warnte die Weltgesundheitsorganisation: Waren 1990 noch Lungenentzündung, Durchfallerkrankungen und Kindstod die drei größten Leiden, werden es 2020 wohl Herzinfarkt, Depression und Angststörungen sein.

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