"Ärztemangel steht vor der Tür"

MAINZ. "Dem Gesundheitswesen gehen die Ärzte aus", warnen Ärztekammer und Kassenärzte und verweisen auf Überalterung und fehlenden Nachwuchs. Nicht nur in den neuen Ländern, auch in ländlichen Gebieten im Westen werden Hausärzte knapp: Vier offene Stellen im Bereich Bitburg-Prüm und fünf im Raum Ahrweiler meldet eine neue Studie.

Der Schönecker Landarzt Erdal Dogan (65) hat mit seiner bisher vergeblichen Suche nach einem Nachfolger in den vergangenen Monaten durch Medienberichte für bundesweite Aufmerksamkeit gesorgt: Ärztemangel gibt es nicht nur in Ostdeutschland, er droht auch handfest in strukturschwachen Regionen der alten Länder. Insgesamt neun unbesetzte Hausarzt-Stellen weist eine neue Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Rheinland-Pfalz im Frühjahr 2005 aus, vier davon in der Westeifel und fünf im Planungsbereich Ahrweiler. Insgesamt gibt es rund 6200 niedergelassene Ärzte im Land, davon knapp die Hälfte Hausärzte. "Noch sind im Land alle Kassenarztsitze besetzt worden", stellt Karl-Heinz Schmitt, Vizechef der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz, dazu fest. Die Studie zeige nur eine vorübergehende Momentaufnahme. Doch der Zeitraum, in denen Nachfolger für Hausarztpraxen gerade in ländlichen Regionen zu finden sind, werden immer länger. Dauerte es früher zwei, sind es jetzt oft sechs Monate. Teilweise sind drei Ausschreibungen notwendig. Bundesweit geht seit Jahren die Zahl der Hausärzte, aber auch von Fachärzten in bestimmten Sparten zurück. "Die drohende Versorgungslücke ist ein Problem", mahnt seit langem Ärztekammer-Präsident Professor Frieder Hessenauer. Das Durchschnittsalter der Mediziner ist inzwischen auf über 50 Jahre gestiegen. Die Zahl der Älteren nimmt zu, die der Jüngeren bedenklich ab. Für 2006 wird ein vorläufiger Höhepunkt der Ruhestandswelle erwartet. Gleichzeitig verharren die Nachwuchszahlen auf einem seit Jahren gesunkenen Niveau. Dagegen gibt es immer mehr Studienabbrecher und Mediziner, die nach ihrem Studium kein Arzt werden. "Der Beruf hat viel von seinem Glanz verloren", so Schmidt zu den Ursachen. Er verweist auf das stark gestiegene wirtschaftliche Risiko für niedergelassene Ärzte, steigende Belastungen und immens gewachsene Bürokratie bei sinkenden Einkünften. Tausende Ärzte sind inzwischen ins europäische Ausland abgewandert. Schmidt weiß von Kollegen, die zu lukrativen Wochenenddiensten nach England jetten, um sich 2500 Euro zu verdienen. Nach Einschätzung von Gesundheitsministerin Malu Dreyer ist die ärztliche Versorgung im Land derzeit gesichert, auch wenn sie einräumt, dass es ein Stadt-Land-Gefälle gibt und in einzelnen Regionen freie Arztstellen schwierig neu zu besetzen sind. "Der Mangel steht bereits vor der Tür", warnt dagegen Schmidt. Die Politik müsse für bessere Arbeitsbedingungen sorgen und damit den Arztberuf wieder attraktiver machen. Aber vielleicht seien sinkende Arztzahlen auch politisch gewollt, gibt er zu bedenken. Denn schließlich verursachten weniger Ärzte auch weniger Gesundheitskosten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort