Auf welche Karte setzt die SPD?

TRIER/BITBURG. Noch steht nicht einmal fest, ob im September der Bundestag neu gewählt wird, da entscheidet die SPD im Wahlkreis 205 (Trier/Trier-Saarburg) schon über ihren Kandidaten. Der Ausgang der Kampfabstimmung zwischen Christian Z. Schmitz und Karl Diller könnte Auswirkungen bis in die Eifel nach sich ziehen.

Als der Nachwuchs-Boxer Leon Spinks im Februar 1978 gegen den amtierenden Weltmeister Muhammad Ali antrat, gab ihm niemand eine Chance. Gut: Ali war nicht mehr in Bestform, das langjährige Regieren auf dem Box-Thron hatte ihn etwas müde gemacht, er sprach häufiger über Ruhestand, und der Infight Mann gegen Mann war sowieso nie seine Sache gewesen. Aber Spinks hatte bis dato nur in der Jugendklasse und bei den Amateuren gekämpft, ein fast unbeschriebenes Blatt, wie sollte er schon gewinnen gegen eine lebende Legende? Die Wetten standen 5:1 für Ali, aber als am Ende ausgezählt wurde, lag Spinks sensationell vorn. Christian Z. Schmitz hätte für die Geschichte von Leon Spinks dieser Tage sicher ein offenes Ohr. Am Freitag wird er als krasser Außenseiter gegen einen amtierenden Champion antreten, wenn er Karl Diller beim Kampf um die SPD-Bundestagskandidatur herausfordert. Einen "Generations- und Politikwechsel" will der 30-Jährige einleiten. "Nicht weiter so", lautet seine Devise, schließlich müsse man sich "bei 26 Prozent Wählerzustimmung fragen, was wir falsch gemacht haben". Der Diplom-Geograph sagt höflich "wir", aber er meint natürlich vor allem seinen Gegenkandidaten, den Staatssekretär. Karl Diller hat zu keinem Zeitpunkt auch nur einen Hauch von Distanz zu Gerhard Schröders Politik erkennen lassen – wie auch, als loyales Regierungsmitglied. Jetzt, wo der Wähler drauf und dran ist, dem rot-grünen Bündnis den Stempel "gescheitert" zu verpassen, kann man damit keine Punkte mehr sammeln. Derweil hat Schmitz als Juso-Landesvorsitzender immer durch Aufwärtshaken gegen "die da oben" gepunktet. Mal hat er dem Kanzler "Erpressung" vorgeworfen, mal eine sozialere Politik eingefordert, mal scharf für mehr Gerechtigkeit plädiert. Mit anderen Worten: Er steht exakt für das, was die Wendehälse im Willy-Brandt-Haus seit ein paar Wochen als neue SPD-Linie propagieren. Eigentlich wäre Schmitz also der Kandidat der Zukunft. Eher jedenfalls als der ideologiefreie Pragmatiker Diller, dessen Konzentration auf das Machbare ihn zum idealen Regierenden macht, dem aber der Charme des Opponierers gänzlich abgeht – mithin genau das, was die SPD ab dem Herbst am dringendsten braucht. Taktische und strategische Elemente entscheiden

Aber "eigentlich" heißt in der Politik wenig. Da spielen taktische und strategische Elemente eine weit gewichtigere Rolle. Zum Beispiel der Umstand, dass dem Kreis Trier-Saarburg die Wunschkandidatin Katarina Barley, die Diller im kommenden Jahr beerben sollte, durch die vorgezogene Neuwahl nicht zur Verfügung stand. "Wir hätten sonst niemanden gehabt", räumt der Kreisvorsitzende Manfred Nink ehrlich ein, und Schmitz sei für den Landkreis "ein unbeschriebenes Blatt". Was er nicht sagt: Ein Abgeordneter Schmitz hätte das attraktive Bundestagsmandat wahrscheinlich auf Jahre für die Stadt reklamiert, und der Kreis, obwohl mitgliederstärker, müsste in die Röhre schauen. So hat sich das alte Zugpferd Diller noch mal ins Geschirr spannen lassen, nicht zuletzt wegen der besseren Chancen auf der Landesliste. Die SPD pflegt langjährige treue Dienste mit einem guten Listenplatz auf Lebenszeit zu belohnen, zumindest, so lange der Inhaber nicht von akuter Senilität bedroht ist. "Anciennitätsprinzip" nennt das Diller, und das Argument, nur auf diese Weise ein Mandat für Trier sichern zu können, habe er "dem Vorstand nicht widerlegen können". So sei sein Angebot, Platz für einen Generationswechsel zu machen, halt "nicht angenommen worden". Das klingt etwas gespreizt, dürfte aber der Wahrheit entsprechen. Und weil man weiß, dass sich Diller nicht gedrängt hat, gibt man sich auch in der Stadt Trier Mühe, ihn nicht zu verärgern. Man sei "froh, zwei gute Kandidaten zu haben", sagt die Stadtverbandsvorsitzende Malu Dreyer. Schmitz’ Kandidatur sei "auf keinen Fall ein Argument gegen Diller". Das mit der Herausforderung müsse man "sportlich sehen", sagt denn auch der Titelverteidiger gelassen. Obwohl: Früher löste man solche Personalfragen eleganter. Als vor 22 Jahren der Jungfuchs Diller den Ex-Staatssekretär Karl Haehser ablösen wollte, reichte ein kräftiges Aufstampfen des Seniors, und die Ambitionen wurden um vier Jahre zurückgestellt. Diesmal ist die Sache komplizierter. Nicht zuletzt, weil die aktuelle Zahl von zwölf Mandaten für die rheinland-pfälzischen Sozis bei dem befürchteten Wahldebakel weiter schrumpfen dürfte. Elf Amtsinhaber treten wieder an, dazu kommt Andrea Nahles als Galionsfigur der Parteilinken, die auf einem sicheren Platz untergebracht werden soll. Irgendjemand muss also dran glauben. Insider befürchten nun, dass der sichere Diller-Platz zu Lasten der Eifeler Abgeordneten Elke Leonhard gehen könnte. Der Kulturpolitikerin rücken nämlich nicht nur Kandidaten aus Groß-Bereichen wie Koblenz oder Mainz auf die Pelle, sondern auch Inhaber von Direktmandaten, die um ihre Wiederwahl fürchten. Da könnte es schwierig werden, Besitzstände zu wahren. Wie bei Leon Spinks. Der verlor seinen Rückkampf haushoch gegen den alten Muhammad Ali.

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