Bericht: Mehr Islamisten, mehr rechtsextreme Gewalt im Land

Mainz · Experten im Land warnen vor Terror-Auswüchsen. Sowohl die Zahl die Zahl der gewaltbereiten Islamisten und Salafisten wie auch die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten in Rheinland-Pfalz ist 2016 gestiegen.

Kinder erschießen Menschen, enthaupten Geiseln, Musik untermalt das Drama. Es sind grausame Videos, die das Internet birgt und offenbar manchen Jugendlichen in den Bann ziehen. Terrorismus in einer Art Youtube-Format sei für den Islamischen Staat (IS) ein Weg, junge Mitglieder zu werben, sagt der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD). Elmar May, Chef des Landesverfassungsschutzes, spricht gar von einer "Jugendbewegung". In Rheinland-Pfalz erlebten die Behörden im Winter beinahe, wohin das führen kann. Am Ludwigshafener Weihnachtsmarkt scheiterte ein Attentat mit einer Nagelbombe. Das besonders Perfide: Der Terrorverdächtige war zwölf Jahre alt.

Der Verfassungsschutzbericht von 2016 zeigt, dass die Radikalisierung im Land zunimmt. Die Zahl der Islamisten in Rheinland-Pfalz ist im Vergleich zum Vorjahr von 550 auf 580 gestiegen, die der gewaltorientierten Islamisten von 40 auf 45 und die der Salafisten von 120 auf 150. May betont, man behalte das Internet genau im Blick, um Jugendliche zu schützen. Den Vorschlag des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU), nach dem der Verfassungsschutz auch Kinder im islamistischen Umfeld beobachten soll, lehnt er ab. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in Schulen V-Leute einsetzen. Das geht zu weit." Die CDU im Landtag fordert eine bessere Vernetzung bei der Vorbeugung gegen islamistische Radikalisierung, die bis hinunter in die Kommunen reicht. Innenexperte Matthias Lammert spricht sich dafür aus, die Prävention vom grün-geführten Integrationsministerium auf das Innenressort zu verlagern.

Dieses stockt schon mal den Verfassungsschutz in diesem Jahr um 20 Stellen auf. Lewentz dämmert: "Der Terrorismus bleibt die große sicherheitspolitische Herausforderung im Inneren."

Die Gunst von Jugendlichen sei dabei nicht die einzige Form, wie sich der Terror gewandelt habe, sagt Marwan Abou-Taam vom Landeskriminalamt beim Trierer Forum zum Recht der inneren Sicherheit. Der Feind sei jeder. Einzeltäter handelten oft unabhängig von Organisationen. Zu Anschlägen brauche es nur ein gestohlenes Auto und Küchenmesser, nicht jahrelange, teure Vorbereitung wie bei den Attentaten in New York 2001. Und wo Täter früher oft unauffällig waren, fielen diese nun meist durch vorige Delikte auf, wie Drogenhandel. Der Grund? "Jeglicher Schaden an der Gesellschaft ist wie ein sakraler Mantel für die, die in den Heiligen Krieg ziehen", erläutert Islamismusforscher Abou-Taam.

Die Vorschläge, was helfen kann, gehen auseinander. Generalbundesanwalt Thomas Beck nennt die uneinheitlichen Polizeigesetze der Länder als Hürde. Rechtsexperte Mark Zöller von der Uni Trier nimmt die Gesellschaft in die Pflicht, den Terroristen die Aufmerksamkeit und damit ihr wichtigstes Elixier zu entziehen. "Jedem ist es unbenommen, keine Videos von Anschlägen für die sozialen Netzwerke zu drehen und die Smartphones und Laptops auszuschalten." Und Abou-Taam warnt davor, Gesetze zu verschärfen, wie oft gefordert. "Terror ist wie Rost, der ein Gesellschaftssystem befällt", sagt er. "Als Folge schaffen wir Freiheitsrechte ab, gehen schlechter mit Minderheiten um. Und dann machen wir genau, was Terroristen sich wünschen." Info

Rechtsextreme Gewalt nimmt zu

Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ist im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz von 47 auf 51 gestiegen. Dabei gab es mit 43 Fällen von Körperverletzung auch mehr als im Vorjahr (35).

Die Zahl linksextremistischer Gewalttaten ist von 16 im Jahr 2015 auf acht zurückgegangen. Das Land geht von 650 Rechtsextremisten in Rheinland-Pfalz aus, von denen 150 als gewaltorientiert eingestuft werden. Von 500 Linksextremen ist das bei insgesamt 100 der Fall.

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