Chance für den Verlierer

Ein 24-Jähriger aus Thalfang (Bernkastel-Wittlich) wurde gestern vom Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der Mann hatte seiner Frau ein Messer in den Bauch gerammt; die 26-Jährige überlebte knapp.

Trier. Viktor K. ist ein Verlierer, einer, der nie in seiner neuen Heimat Deutschland angekommen ist. Schwierige Kindheit in Kasachstan. Mit elf wandert er mit seiner Familie nach Deutschland aus, ein Land, dessen Sprache er spricht, das er aber nicht kennt. Mit Ach und Krach schafft er den Hauptschulabschluss, einen Ausbildungsplatz findet er nicht. Viktor K. wird zum Säufer. Zum Schläger. Er sei ein Migrationsverlierer, sagt Gutachter Ingo Baltes. 2004 lernt K. seine Frau, eine Alleinerziehende, kennen. Sie heiraten, bekommen zwei Kinder. Eine ungleiche Beziehung. Er ist der Chef, seine Frau hat zu gehorchen. Viktor K. sei ein ausgeprägter Egozentriker, sagt der Gutachter. Mit einem Ein-Euro-Job als Hausmeister hält er sich und seine Familie über Wasser. Doch sein Leben bekommt er nicht in den Griff. Alkohol. Eine freiwillige Entziehungskur bricht er nach fünf Tagen ab. Zuhause in Thalfang terrorisiert er weiter seine Frau, droht, sie umzubringen, wenn sie ihn verlässt. Das ist der menschenverachtende Charakter, von dem Staatsanwalt Manfred Stemper spricht. Die Ehefrau hat Angst, geht jedem Konflikt mit dem 24-Jährigen aus dem Weg. Auch in der Nacht zum 4. Juli 2007. Sie kommt von einer Geburtstagsfeier zurück, findet ihren Mann statt auf die Kinder aufpassend trinkend mit einem Kumpel und dessen Freundin in einer Döner-Bude. Statt ihn zur Rede zu stellen, feiert sie mit den Dreien weiter in ihrer Wohnung. Sie ist eifersüchtig, weil er mit der Polin flirtet, droht, ihn zu verlassen. Er ist eifersüchtig, als sie mit dem Kumpel verschwindet, weil dieser angeblich seinen Schlüssel verloren hat. Viktor K. lauert seiner Frau auf, rammt ihr ein Bundeswehrmesser in den Bauch, verfehlt nur knapp die Schlagader. In einer Notoperation wird die 26-Jährige gerettet. Später droht er ihr, wenn sie ihn verrate, ihr den Kopf abzuhacken. Für den Staatsanwalt ist klar, K. hätte die Frau getötet. Doch die Anklage lautet "nur" auf schwere Körperverletzung und Bedrohung, weil Viktor K. seine Frau, die im Prozess ihre Aussage verweigert, nach der Messerattacke den Krankenwagen rufen lässt. Mit fünf Jahren und zehn Monaten bleibt die Erste Große Strafkammer knapp unter der Forderung des Staatsanwalts (sechs Jahre). Nach einem Jahr Gefängnis muss K. zwei Jahre lang in eine Entziehung. Schafft er es, vom Alkohol wegzukommen, wird er danach auf Bewährung entlassen - und kann zu seiner Frau zurück. Sie will ihm eine neue Chance geben.

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