Der erste Bischof und das Zweite Konzil

TRIER. Selbst der Trierer Bischof Reinhard Marx quälte sich auf einen der unbequemen Holz-Sitze, um zu hören, was der hohe Besuch zu sagen hatte: Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, sprach am Montagabend an der Universität.

Es ist ein bisschen wie in der Kirche. "Wir bleiben hinten stehen. Dann können wir gehen, wann wir wollen", sagen zwei Frauen einem Bekannten. Der hegt offensichtlich höhere Erwartungen an den Vortrag von Karl Kardinal Lehmann in Trier und kämpft sich zu einem der letzten freien Plätze in der Mitte des Hörsaals durch. Die nächsten Gäste organisieren sich bereits Stühle aus der Cafeteria, um noch zu einer Sitzgelegenheit zu kommen - zugegeben, der Vergleich mit dem Kirchenbesuch hinkt. Dass an diesem Abend keine 0-8-15-Vorlesung ansteht, wird im selben Augenblick deutlich, in dem man den Hörsaal betritt: Der Altersdurchschnitt liegt mehrere Jahrzehnte über dem von Studenten, viele würdevolle Herren in schwarzen Hemden mit weißem Priester-Band bevölkern die Reihen, genau in der Mitte sitzen drei Ordensfrauen im Habit. Und selbst die, die dem Alter nach Studenten sein könnten, sehen irgendwie… halt, das sind nun wirklich Vorurteile. Da ist er ja! Unbemerkt hat Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, den Saal betreten und geht zum Pult seines Trierer Kollegen Reinhard Marx in der ersten Reihe. Ein kleiner bischöflicher Smalltalk, dann geht‘s los: "Evangelium im Dialog: 40 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil" heißt das Thema, über das Lehmann im Rahmen einer Ringvorlesung der Theologischen Fakultät Trier spricht. Er erzählt von dem Konzil, das er als Student in Rom miterlebte, von der Aufbruchstimmung in der Zeit danach. "Was ist daraus geworden?" Es gebe viele enttäuschte Hoffnungen, vor allem im rechten Lager. Doch es werde auch zu wenig über das Gelungene gesprochen. Was die Kirche heute wohl ohne die neuen Gottesdienst-Formen wäre, fragt Lehmann, was ohne die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter. Er legt ein uneingeschränktes Bekenntnis zum "Zweiten Vatikanum" ab und wirbt für eine neue, intensivere Beschäftigung mit den Konzil-Texten und ihrer "mehrschichtigen Dimension". Eine zentrale Rolle spielt für den Kardinal der Dialog - zwischen Kirche und Welt, zwischen den Kirchen, innerhalb der Kirche. Oft sei man zu gut im Reden und zu schlecht im Zuhören, kritisiert er. Man spreche bisweilen weniger miteinander als über die Medien gegeneinander. Außerdem habe die Kirche Dialoge oft zu naiv geführt, zu wenig fundiert. Zu selten seien Andersdenkenden Antworten angeboten worden. Fragen bitte! Der erste Bischof Deutschlands geht in Sachen Dialog mit gutem Beispiel voran - und schlägt erneut kritische Töne an: Dass man den Dialog vielleicht zu sehr als auf Harmonie bedachtes Gespräch verstanden habe. Dass das Thema mehr Gewicht in der Theologen-Ausbildung erhalten müsse. Dann gehört Lehmanns Aufmerksamkeit dem schwarzen Buch mit Goldschnitt auf dem Nebentisch - der Besuch des hohen Gastes an der Fakultät will schließlich dokumentiert sein. "Meine Damen und Herren, Sie müssen nicht warten, bis ich fertig bin mit Schreiben", verabschiedet der Kardinal seine Zuhörer, die ihm kräftig applaudieren. Die beiden Frauen sind übrigens noch da.

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