Dönerspieß und Killerpilz

BITBURG. Düstere Aussichten unterhaltsam verpackt. Beim wirtschaftspolitischen Forum der Kreissparkasse Bitburg-Prüm referierte der Freiburger Professor Bernd Raffelhüschen im Haus Beda über die Zukunft der Sozialversicherungssysteme in Deutschland.

Professor Bernd Raffelhüschen steht am Rednerpult, seinen Laptop vor sich. Er blickt ins Publikum. 400 Gäste im Haus Beda verfolgen seinen fesselnden Vortrag. Der Freiburger Professor entwickelt kabarettistische Fähigkeiten - wenn er etwa die aktuelle Bevölkerungspyramide an die Leinwand wirft. "Ich weiß ja nicht, was Sie unter einer Pyramide verstehen. Aber hätten die Ägypter ihre Pyramiden so gebaut, dann würde heute keine mehr stehen." Der "dicke Knubbel in der Mitte", das seien die 30- bis 50-Jährigen, die bei dieser Veranstaltung nur zu einem Drittel anwesend seien. "Was die Kinder angeht, da waren Sie wirklich grottenschlecht! Da waren Sie die größten Rohrkrepierer der deutschen Nachkriegsgeschichte!" Um es zu verdeutlichen, packt er seine These in noch deutlichere Worte: "Demografisch gesehen, spielen Sie seit 40 Jahren Zweiter Weltkrieg." Das verändere die Bevölkerungsstrukturen dramatisch. Die Struktur erinnere heute schon eher an "einen Kebabspieß" als an eine Pyramide. "An unserem Institut in Freiburg sprechen wir nur von unserem Döner." Das Publikum lacht. Dann verschwimmt der Döner und mutiert zu einem Pilz. Raffelhüschen nimmt das Publikum mit in die Zukunft. Der "Pilzkopf", das sind die Rentner, die heute 30- bis 50-Jährigen, der Stiel die Beitragszahler. Das sei weder Fiktion noch Schwarzmalerei: "Das ist so sicher wie die Vergangenheit. Daran können wir nichts mehr andern. Selbst wenn Sie nach den Häppchen noch ein bisschen Lust auf Reproduktion bekommen. Naja, wenn Sie noch können." Zeitreise bis zum Jahr 2070

Im Jahr 2030 bekomme jeder Beitragszahler seinen eigenen Rentner. Und Menschen lebten von Generation zu Generation vier Jahre länger. Kurzum: Immer mehr Menschen, die von immer weniger immer länger finanziert werden wollen. "Im Jahr 2050 müssen die Bürgermeister Marathonläufer sein, um den ganzen 100-Jährigen Blumensträuße in die Hand zu drücken." Die Zeitreise geht weiter. Wir schreiben das Jahr 2070. Der Pilz, der irgendwann mal eine Pyramide war und dann zum Döner wurde, sieht nun aus wie eine Urne. Wenige werden von wenigen finanziert. Problem überstanden. Doch zurück in die bevorstehende Zukunft. Was wird aus der Rente? Laut Raffelhüschen gibt es nur zwei Möglichkeiten: Beiträge nach oben, um das Niveau zu stabilisieren. Oder Leistungen runter. Renten kürzen. Er selbst gehörte vor fünf Jahren zur Rürup-Kommission, einer von der damaligen Bundesregierung eingesetzten Expertenrunde. Ihr Ergebnis damals: Die Rente mit 67 ist unumgänglich. "Das ist einfachste Mathematik. Man muss nur ein bisschen plus und geteilt rechnen können", erklärt der Professor. Und: "Wer glaubt, dass man durch zwei Jahre längeres Arbeiten eine Rentenkürzung umgeht, der hat bei der Zins- und Zinses-Zins-Rechnung schlichtweg gepennt." Was da in den vergangenen Tagen beschlossen worden sei, sei die größte Rentenkürzung der deutschen Nachkriegsgeschichte. Für die Alten bedeute das jetzt allerdings kein Problem. Die Wirkung trete erst eine Generation später ein. Dann, wenn die nicht vorhandenen Kinder für die jetzt 30- bis 50-Jährigen zahlen müssten. Auch die Basisrente sei keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Sein Vorschlag für die 30- bis 50-Jährigen: "Wenn Sie sich das nächste Mal im Spiegel begrüßen, dann bitte mit ,Guten Morgen, Problem'. Und dann schlagen Sie mit der Peitsche zu. Schön kräftig. Denn es trifft keinen Falschen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort