Ein Umweltengel als Tatverdächtiger

TRIER. Was ist der mysteriöse Krankheitserreger im alten Trierer Polizeipräsidium? Es gibt einen neuen Verdacht, bestätigte Polizeipräsident Manfred Bitter gestern einen TV-Bericht vom gleichen Tag. Dennoch warnen Experten vor allzu großem Optimismus.

Nicht zum ersten Mal nehmen die Fachleute in diesen Tagen die Wände und Decken im gerade erst Asbest- und PCB-sanierten alten Trierer Polizeipräsidium in der Südallee unter die Lupe. Der Verdacht: Ein Schutzanstrich könnte schuld sein an den Gesundheitsbeschwerden eines Drittels der Belegschaft. Rund 90 der 300 Mitarbeiter klagen seit Anfang des Jahres über teilweise massive Beeinträchtigungen: blutige Nasenschleimhäute, Augenbrennen, Schwindel, Zusammenbrüche, schwere Entzündungen, Hautaufplatzungen, Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen. Aber auch Atemwegserkrankungen bis hin zu irreparablen Bronchienschädigungen seien vereinzelt diagnostiziert worden, sagte am Donnerstag Erich Wolff, der Leiter der Trierer Kriminaldirektion.Beschwerden werden weniger

Die gute Nachricht: Seit gut ein Drittel der Belegschaft in ein eigens angemietetes Ausweichquartier in der Güterstraße umgezogen ist, werden die Beschwerden weniger. Die schlechte Nachricht: Der mysteriöse Krankheitserreger ist immer noch nicht gefunden. Mehr als einen "Tatverdächtigen" gibt es nicht.

Bei dem Verdächtigen handelt es sich um einen Harz-Schutzanstrich namens Viscacid BS 2000, der in der Regel zur Bodenversiegelung eingesetzt wird. Weil der Hersteller aber festgestellt habe, dass das Mittel auch PCB-Ausgasungen zurückhalte, werde es mittlerweile auch für Wände oder Decken benutzt, sagte der Schadstoff-Experte des Landesbetriebs Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB), Walter Thewalt. Dem LBB gehört das siebenstöckige Hochhaus aus den 70er Jahren, die Trierer Polizei ist nur Mieter.

Thewalt ist skeptisch, dass es sich bei dem jetzt von einem anderen Fachmann lokalisierten Stoff tatsächlich um den "Übeltäter" handelt. Messungen in den betroffenen Räumen hätten keine Auffälligkeiten ergeben, sagte der Diplom-Ingenieur. Zudem trage der Schutzanstrich sogar ein Siegel - den blauen Umweltengel. Thewalt: "Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das Mittel unbedenklich ist."

"Ich bin kein Typ für Hängepartien"

Überzeugt sind die LBB-Verantwortlichen mittlerweile auch, dass die über Gesundheitsbeschwerden klagenden Polizei-Mitarbeiter nicht bloß simulieren, wie dies LBB-Chef Hubert Heimann mit einer Äußerung im TV angedeutet hatte ("Die Ursache könnte im psychosomatischen Bereich liegen"). "Das sind keine eingebildeten Kranke", stellte gestern der Trierer LBB-Niederlassungsleiter Ingo Penkwitt fest. Und Polizeipräsident Manfred Bitter ergänzte: "Das Thema ist absolut vom Tisch."

Nicht vom Tisch ist dagegen die Raumnot bei der Polizei. Weil das Ausweichquartier in der Güterstraße offenbar schon wieder zu klein ist, müssen weitere Räume angemietet werden - im Trierer Süden in der Gerberstraße. Die Kosten für die aufwändige Aktion gehen schon jetzt in die Hunderttausende. Allein die Umrüstung des Ausweichquartiers in der Güterstraße schlug laut Polizeipräsident Bitter mit 150 000 Euro zu Buche. Die monatliche Miete liegt angeblich bei 12 000 Euro. Hinzu kommen Gutachter- und eventuelle Sanierungskosten.

Dazu aber müsste die Ursache erst einmal gefunden werden. Bis Mitte September sollen die Ergebnisse einer Auswertung aller Fakten durch das Institut für Umweltmedizin der Uniklinik Aachen vorliegen. "Spätestens in ein, zwei Monaten fällt eine Entscheidung", sagt auch LBB-Niederlassungschef Penkwitt.

"Ich bin kein Typ für Hängepartien", macht auch Präsident Manfred Bitter deutlich, dass die Zeit drängt und wohl auch die Polizeiarbeit mittlerweile leidet: "Die Auswirkungen auf unsere Aufklärungsquote sind noch gar nicht zu ermessen."

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