Einsame Vorstöße

BERLIN. Der Streit um die Rente mit 67 hat sich in der SPD drastisch zugespitzt. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) erteilte gestern allen Forderungen nach einem vorzeitigen Renteneintritt für Schwerarbeiter eine klare Absage.

"Man kann keine speziellen Berufe besonders behandeln", meinte der Vizekanzler im ARD-Morgenmagazin. Noch am Wochenende hatte Parteichef Matthias Platzeck Sonderregelungen "für ganz bestimmte Berufsgruppen" in Aussicht gestellt, um Münteferings einsamen Vorstoß zur beschleunigten Erhöhung des Renteneintrittsalters sozial zu flankieren. Münteferings Sprecher, Stefan Giffeler, hatte sich daraufhin offen für solche Überlegungen gezeigt. Nun kommt wieder alles ganz anders. Mittlerweile stinkt den Genossen die Basta-Politik des Vizekanzlers so sehr, dass manche kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Arbeitnehmerschaft (AfA), Ottmar Schreiner, warnte davor, den Disput mit einem Machtwort abzuwürgen. "Die Diskussion ist nicht beendet", sagte Schreiner unserer Zeitung. Es sei "völlig klar, dass die arbeitsmarktpolitischen Konsequenzen insbesondere der älteren Generation im Mittelpunkt stehen müssen". Wenn die Menschen bis 67 arbeiten sollen, dann halte er das "bei einer Reihe von Berufsgruppen für ausgeschlossen. Ich kann dem Schichtarbeiter das nicht zumuten", sagte Schreiner. In der jüngsten Fraktionssitzung der SPD hatten mehrere Abgeordnete beklagt, dass der Vizekanzler die Wahlchancen der SPD bei den anstehenden Urnengängen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt aufs Spiel setze. Hinter den Kulissen wird dabei offenbar über Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente nachgedacht. Wer weitgehend arbeitsunfähig ist, kann heute eine Rente mit Abschlägen von bis zu 10,8 Prozent in Anspruch nehmen. Diese Abzüge könnten künftig teilweise oder ganz entfallen. Im Trubel des Renten-Ärgers ging gestern fast unter, dass das Bundeskabinett ein Trostpflaster für die heutigen Ruheständler beschlossen hat. Die Neuregelung sieht eine Vermeidung von Rentenkürzungen in diesem Jahr vor. Durch die geltende Rechtslage hätte diese Gefahr bestanden, weil das allgemeine Lohnniveau nach Expertenschätzungen erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gesunken ist. Die Löhne sind die Basis zur Rentenberechnung. Eine Absenkung der Altersbezüge wäre ohne den gestrigen Beschluss zum 1. Juli wahrscheinlich gewesen. Nun kommt auf die Rentner die dritte Nullrunde in Folge zu. Hoffnung ruht nun auf mehr Wachstum

Die Fehlbeträge in der Rentenkasse muss Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ausgleichen. Auf lange Sicht wird ein so genannter Nachholfaktor in die Rentenberechnung eingebaut. Seine Wirkung soll der Faktor ab dem Jahr 2010 entfalten. Der Plan beruht auf der Annahme eines deutlich spürbaren Wirtschaftswachstums. Dann sollen die eigentlich fälligen Rentensteigerungen mit Abschlägen verrechnet werden, die aus dem "Nachholfaktor" resultieren. Bleibt die Hoffnung auf Wachstum unerfüllt, summieren sich die Finanzausfälle in der Rentenkasse weiter. Damit erhöht sich unweigerlich der Druck auf die ausgezahlten Renten. Das Versprechen der großen Koalition zur Verhinderung von Rentenkürzungen gilt denn auch nur bis zum Jahr 2009.

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