Fit fürs bescheidene Leben

Machen wir uns nichts vor: Die fetten Jahre sind vorbei. Für große Teile der Bevölkerung wird es den Wohlstand der letzten Jahrzehnte nicht mehr geben. Und wo in der Gesellschaft eine schleichende Verarmung stattfindet, kommt es auch bei der Zahl der Haushalte, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, zu keiner Trendwende.

Wo kaum Geld da ist, wird der Umgang mit dem wenigen zu einer Kunst, die erlernt werden will. Was spricht dagegen, Sparen und Geldausgeben zum Schulfach zu machen, damit Kinder frühzeitig durchschauen, was sie sich leisten können und was nicht? Warum sollte nicht neben die Gesundheitsvorsorge eine monetäre Prävention treten? Machte es für eine Familie nicht Sinn, in Abständen einen neutralen Finanzberater aufzusuchen und zu klären, wo man finanziell steht, bevor der Super-Gau der Überschuldung eintritt? Und noch etwas kann gegen eine private Armutskatastrophe helfen: Bildung. Die These des Freizeitforschers Horst W. Opaschowski, Freizeit koste Geld und werde deswegen für immer mehr Menschen unerschwinglich, stimmt nämlich nur zur Hälfte. Trotz ihrer prekären Finanzsituation halten die Kommunen an ihren klassischen Bildungs- und Freizeiteinrichtungen eisern fest. Immer noch kann, wer will, zu einem geringen Jahresbeitrag Bücher, CDs und sogar Computersoftware ausleihen und sogar täglich mehrere Zeitschriften lesen. Immer noch stehen Sportplätze und Turnhallen bereit. Und sogar der Schwimmbad- oder Theaterbesuch wird so subventioniert, dass er auch für Menschen mit niedrigem Einkommen erschwinglich ist, zumindest von Zeit zu Zeit. Diese Formen der Freizeitgestaltung sind nicht teuer. Sie setzen allerdings eins voraus: Die Fähigkeit, seine freie Zeit aktiv zu nutzen, sich persönlich zu entwickeln, Kontakte zu pflegen, am politischen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen - als Hobbymusiker, Sportler, Konzertbesucher oder auch Kleingärtner. Das bedeutet Bildung. Die muss vermittelt werden - in Elternhäusern, Kindergärten, Vereinen und vor allem Schulen. Nur zusätzliche Bildungsanstrengungen können ein Ansteigen der Asozialität verhindern. Kinder und Jugendliche müssen heute fit werden für eine materiell bescheidene Existenz. Bildung verbesserte nicht nur die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie hilft auch, übergangsweise oder vielleicht sogar auf Dauer mit weniger Geld vernünftig zu leben. m.moeller@volksfreund.de

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