Für "klassische" Betrüger ein weites Feld

TRIER. (mic) Das Internet und das Strafrecht - ein zunehmend wichtiger werdendes Feld für die Justiz. Damit beschäftigten sich in dieser Woche Staatsanwälte und Richter aus ganz Deutschland bei einer Tagung in Trier.

Wer sich mit Staatsanwälten oder Richtern über Kriminalität im Internet unterhält, hört oft die abenteuerlichsten Geschichten: Staatsanwälte sollen Verfahren wegen Pornografie im Netz führen, haben aber selbst nicht einmal einen Internet-fähigen Rechner im Büro. Richter verhandeln wegen Internet-Betrugs, kennen E-Mails aber nur vom Hörensagen. Ausstattung der Justiz und Kenntnisstand der Mitarbeiter auf der einen sowie die Bedeutung des Themas Internet auf der anderen Seite klaffen häufig weit auseinander. Dabei entwickeln sich die so genannten Neuen Medien zum zunehmend größer werdenden Beschäftigungsfeld für die Justiz, wie auch eine Tagung an der Deutschen Richterakademie in Trier zeigt. 34 Staatsanwälte und Richter aus ganz Deutschland beschäftigten sich in dieser Woche mit dem Thema Internet und Strafrecht.Die immer wieder bekannt werdenden Fälle von übers Netz vertriebener Kinderpornografie sind dabei nur ein kleiner - wenngleich besonders unerfreulicher - Ausschnitt möglicher Straftatbestände.Gute Seiten zugleich auch Schattenseiten

Viel häufiger, so berichtet Tagungsleiter Professor Hans Kudlich von der Bucerius Law School in Hamburg, müssten sich Richter und Staatsanwälte inzwischen mit "klassischen" Kriminalitäts-Straftatbeständen herumschlagen, die ins Internet übertragen werden. Wer etwa bisher mit kleinen Betrügereien sein Geld "verdiente", findet bei Internet-Auktionen wie Ebay nun ein weites Betätigungsfeld. "Die Möglichkeiten für Straftäter sind viel größer geworden", sagt Kudlich, "viel schneller lässt sich eine große Zahl von Adressaten erreichen" - und betrügen. Die guten Seiten des Internet - Schnelligkeit, weltweite Verfügbarkeit, große Teilnehmerzahl - sind aus strafrechtlicher Sicht also zugleich die schlechten Seiten.Was die Gesetzgebung angeht, so sind die Juristen einigermaßen auf der sicheren Seite: Die meisten Straftatbestände seien mit der Gesetzgebung abgedeckt, sagt Kudlich. Betrug wird eben schon immer geahndet, auch wenn er nun übers Internet verübt wird. Zudem wurden seit Ende der 90er-Jahre einige Gesetze in Deutschland - etwa das Verbot der Verbreitung von pornografischen Schriften und Bildern - so ergänzt, dass sie auch im Internet Anwendung finden können.Problematischer für die Juristen ist ein anderer, essentieller Bestandteil des Internet: dessen Internationalität. Denn was in Deutschland strafbar ist - etwa die Verbreitung von nationalsozialistischer Propaganda - lässt die Gesetzgebung andernorts als "Meinungsfreiheit" durchgehen. Vor allem in der Praxis bereitet das vielen Staatsanwaltschaften Probleme, wie Kudlich in Gesprächen mit den Tagungsteilnehmern festgestellt hat. Oft stelle sich die Frage: "Wie kommt man überhaupt an die Leute im Ausland heran?" Bis die Rechtslage geklärt ist und Rechtshilfe-Ersuchen auf dem Weg sind, haben sich die Täter oft längst aus dem Staub gemacht oder die verbreiteten Inhalte geändert. Eng zusammen hängt damit die ebenfalls oft strittige Frage, ob Internet-Provider im Inland für die Inhalte von Nutzern aus dem Ausland belangt werden können. "Kann man jemanden, der eine missbrauchs-anfällige Infrastruktur zur Verfügung stellt, dafür verantwortlich machen, wenn der Missbrauch betrieben wird?", so umschreibt Kudlich das Grundproblem.Immerhin, so hat er festgestellt, seien vor allem junge Juristen und auch immer mehr ältere mit dem Internet und dessen Problemen überhaupt vertraut. Über früher beobachtete Berührungsängste oder Ignoranz gegenüber dem neuen Medium sei man inzwischen hinweg, sagt Kudlich.

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