Ganz oder gar nicht

TRIER. Mehr Teilzeitarbeitsplätze fordert die Politik. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Viele Arbeitgeber verweigern ihren Mitarbeitern, die Arbeitszeit zu regulieren. Ein Fall aus Trier. Eine Erzieherin klagt auf eine halbe Stelle.

Teilzeitarbeit - das Wort löst bei vielen Arbeitgebern Gänsehaut aus. Denn zwischen dem politischen Wunsch, mehr Jobmöglichkeiten für Mütter zu schaffen, und der Arbeitswirklichkeit klafft noch immer eine große Lücke. "Entweder ganz oder gar nicht", heißt bei nicht wenigen Unternehmen die Devise. Nicht selten müssen die Arbeitsgerichte klären, ob der Anspruch auf Teilzeit berechtigt ist. Auch Martina Müller (Name geändert) will nach fünf Jahren Elternzeit statt 38,5 nur noch 19,25 Stunden arbeiten. "Geht nicht", sagt ihr Arbeitgeber, Träger zweier nichtkirchlicher Kindergärten mit fünf Gruppen in Trier. Das passe nicht in das pädagogische Konzept. Es gebe keine Möglichkeit, ihre derzeit mit einer befristeten Vertretung besetzte Ganztagsstelle in zwei Halbtagsjobs umzuwandeln. Die Fronten sind verhärtet

Stattdessen bieten sie der 38-Jährigen einen Vollzeitarbeitsplatz in dem anderen Kindergarten an, wo eine Stelle frei ist. Sie lehnt ab, nimmt erst einmal Sonderurlaub. Die Versetzung würde für die seit 20 Jahren als Erzieherin arbeitende Frau und Mutter von zwei Söhnen, fünf und drei Jahre alt, bedeuten: fast eine Stunde Fahrzeit bis zur Arbeit und Probleme mit der Kinderbetreuung. Sie besteht auf der Verringerung ihrer Arbeitszeit. Das Ganze landet vor Gericht. Gestern nun die Berufungsverhandlung vor dem Trierer Arbeitsgericht. Die Fronten sind verhärtet. Die Erzieherin will nur vormittags arbeiten, die Vorsitzende des Trägervereins macht klar, dass das nicht geht, es gebe keine Halbtagsstellen in den beiden Einrichtungen. Außerdem muss der Träger gar keine Teilzeit anbieten. Denn erst ab mehr als 15 Mitarbeitern besteht in einem Betrieb Anspruch darauf. Zusammen mit den zehn Erzieherinnen, Köchinnen und Putzfrauen kommen die beiden Kindergärten gerade mal auf 15 Beschäftigte. Doch selbst dann kann es schwer sein, den Anspruch durchzusetzen. Denn wenn "betriebliche Gründe entgegenstehen", kann der Arbeitgeber den Wunsch nach Verringerung der Arbeitszeit ablehnen, wie es im Teilzeit- und Befristungsgesetz heißt. Ein kleiner Satz mit großer Wirkung. Arbeitsjuristen sehen einen solchen betrieblichen Grund dann, wenn die Reduzierung der Arbeitszeit den Arbeitsablauf oder die Sicherheit in dem Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten entstehen. Wegen dieser dehnbaren Begründung landen viele der Auseinandersetzungen zwischen Betrieben und Mitarbeitern vor Gericht. Für Susanne Theobald, Juristin beim Gewerkschaftsbund in Saarbrücken und Rechtsvertreterin von Martina Müller vor Gericht, ist das Verhalten der Arbeitgeber "eine Farce". Einerseits fordere die Politik, dass mehr Kinder auf die Welt kommen, andererseits werde Eltern von einigen Betrieben Steine in den Weg gelegt, "und das ausgerechnet von einer Einrichtung, die durch Kinderbetreuung Eltern ermöglichen soll, Teilzeit zu arbeiten". Man könne "viel machen, wenn guter Wille da ist", fordert der Richter zunächst Kreativität des Arbeitgebers und setzt auf eine Einigung zwischen Trägerverein und Erzieherin. Doch da diese ausbleibt, weist das Gericht die Klage von Müller ab. Die meisten der Verfahren gingen so aus, ärgert sich die Gewerkschaftsjuristin Theobald. Mit dem Gummiparagrafen säßen die Arbeitgeber oft am längeren Hebel.

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