Gewichtige Widersprüche

Wegen Vergewaltigung muss sich ein 38-jähriger Franzose vor dem Landgericht Trier verantworten. Der erste Tag der Beweisaufnahme machte deutlich, dass der bereits acht Jahre zurückliegende Vorgang etliche Fragen aufwirft.

Trier. (DiL) Wie sich die Bilder gleichen: Der mutmaßliche Täter und das mutmaßliche Opfer sitzen sich auf ihren Plätzen im großen Trierer Schwurgerichtssaal gegenüber, beide leichenblass, bisweilen mit den Tränen kämpfend, der Aussage des anderen mit Fassungslosigkeit lauschend. Und das, was sie sagen, liegt unglaublich weit auseinander.Einst, 1998, waren sie ein Liebespaar. Der französische Aushilfs-Koch, der sich nach seiner Militärzeit in Trier mit Jobs über Wasser hielt. Und die gleichaltrige Bedienung, die sich von ihrem Mann trennte, um mit ihrem neuen Partner in Konz eine gemeinsame Wohnung zu beziehen.Es ging nur ein paar Wochen gut. Er sei eifersüchtig gewesen, sagt sie, habe sie eingeengt, zum Haushalt wenig beigetragen, seine Jobs geschmissen. Er sei immer für sie da gewesen, sagt er, habe geholfen, wo er konnte. Sie löst den Mietvertrag auf, sucht für sich und ihn getrennte Wohnungen. Die Beziehung hält man aufrecht, man besucht sich wechselseitig, schläft miteinander, hat gemeinsame Unternehmungen. Es sei doch alles in Ordnung gewesen, sagt er. Sie habe eine Trennung auf Raten eingeleitet, sagt sie, aus Angst, er werde bei einem all zu abrupten Beziehungsende gewalttätig. Ab diesem Punkt sind die Erinnerungen nicht mehr kompatibel. Ja, er habe um ihre Liebe gekämpft, sagt er, aber nie mit Gewalt. Er habe Angst vor Gewalt. Sie schildert ihn als üblen Stalker, der sie verfolgt, bedrängt, geschlagen, eingesperrt und schließlich im Mai 1999 in ihrer eigenen Wohnung vergewaltigt habe. Erst Wochen später geht sie zur Polizei, kann zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr das genaue Datum des Vorfalls sagen. Zwischen ihrer damaligen Aussage und der vor Gericht gibt es gewichtige Widersprüche. Nachvollziehbar nach all den Jahren, aber problematisch. Denn der Angeklagte hält ihr vor, die Tat erfunden zu haben, eventuell unter Einfluss einer Freundin. Manches wirkt rätselhaft: Er bleibt in ihrem Umfeld selbst nach erfolgter Anzeige, löst für sie sogar noch die Wohnung auf, als sie endgültig aus Trier wegzieht. Erst dann geht er nach Frankreich zurück, "keine Flucht, sondern ein Umzug", wie er betont. Dann dauert es Jahre, bis er nach erfolgter Anklage ausgeliefert wird, inzwischen hat er längst eine neue Familie. Seit März sitzt er in U-Haft, was das Verfahren unter Zeitdruck setzt. Die Beweisaufnahme dürfte angesichts der Widersprüche auf beiden Seiten ein dankbares Betätigungsfeld für Anklage und Verteidigung werden. Fortsetzungsverhandlung am 3. August.

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