Gute Noten reichen nicht

TRIER. Gute Noten und eine Empfehlung der Grundschule heißen noch nicht automatisch, dass ein Kind auch einen Platz an einem Gymnasium bekommt. Die Schulleiter können mehr oder weniger frei entscheiden, wen sie nehmen und wen nicht.

Klassenbeste, Super-Noten, Empfehlung vom Klassenlehrer fürs Gymnasium: Alles bestens, dachten sich die Eltern der zehnjährigen Jasmin aus dem Kreis Trier-Saarburg. "Damit kommt unsere Tochter ohne weiteres auf das Gymnasium in Trier." Falsch gedacht. Wie 50 andere Kinder auch, bekam das Mädchen im März eine Absage von eben dieser Schule. Es hatten sich mehr Kinder angemeldet als es Plätze gab. "Trotz sehr guter Noten wurde unsere Tochter abgelehnt, während zwei andere Kinder mit schlechteren Zensuren aufgenommen wurden, weil ihre Geschwister bereits auf die Schule gehen", ärgert sich der Vater. "Was nützen dann noch gute Noten und eine Empfehlung?" fragt er sich wie viele Eltern auch. Die Antwort darauf bekam er von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier. Schulleiter dürften die Empfehlungen der Grundschule und die Leistungen der Schüler nicht "zur Grundlage ihrer Entscheidung" machen, heißt es in dem Brief der ADD. Stattdessen zählten als Auswahlkriterien die Nähe der Schule zum Wohnort, familiäre Verhältnisse, Geschwisterkinder auf der Schule, Waisen, Schwerbehinderte oder Krankheit. Diese Kriterien seien den Schulleitern im März bei einer Dienstbesprechung auch so mitgeteilt worden, schreibt die ADD dem Vater.Seit 1991 zählt in Rheinland-Pfalz allein der Wille der Eltern bei der Wahl der Schule. Sie könnten frei und in eigener Verantwortung entscheiden, welche Schulart sie für ihr Kind wählen. "Der Elternwille sollte dadurch gesträkt werden, durch mehr Mitwirkung und mehr Demokratie", erklärt Wolf-Jürgen Karle, Sprecher des Mainzer Bildungsministeriums auf TV-Anfrage.

Trotzdem werden noch immer Schulempfehlungen geschrieben. Ohne sie kann ein Kind gar nicht auf einem Gymnasium angemeldet werden. Doch scheinen sie eher für die Eltern gedacht zu sein, damit sie ihr vielleicht als Haupt- oder Realschüler eingestuftes Kind nicht aus falschem Ehrgeiz aufs Gymnasium schicken. "Den Lehrern ist der Druck genommen worden, Empfehlungen in eine von den Eltern gewünschte bestimmte Richtung zu geben. Grundschulen bestätigen, dass die Empfehlungen dadurch viel stärker am Kind orientiert seien", sagt Ministeriumssprecher Karle.

Nur noch in Bayern und Baden-Württemberg zählen die Empfehlungen für die weiterführenden Schulen als tatsächliches Auswahlkriterium für weiterführende Schulen. Ohne sie und einen zusätzlichen Aufnahmetest kann kein Grundschüler auf ein Gymnasium. Doch auch dort sind die schriftlichen Empfehlungen nicht ganz unumstritten. In Baden-Württemberg sind im vergangenen Jahr etliche Eltern dagegen auf die Barrikaden gegangen. Man wolle sich nicht länger vorschreiben lassen, auf welche Schule man sein Kind schicken soll, protestierten sie. Zumal, so die schulpolitische Sprecherin der Grünen in Baden-Württemberg, Renate Raststätter, die Hälfte der Schüler gar nicht nach Leistung und Begabung, sondern nach ihrer sozialen Herkunft eingestuft werde. Daher hält auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Schreiben der Grundschullehrer für eine "Farce".

Die Kollegen des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) empfehlen jedoch den Eltern, sich auf jeden Fall an die Empfehlung zu halten und "nicht mit allen möglichen Schachzügen zu probieren, die vorgeschlagene Schulart zu umgehen". Selbst die Lehrer sind sich also offenbar uneins über die Empfehlung.

In Rheinland-Pfalz steht der Landeselternbeirat eindeutig hinter der Regelung, dass die Grundschulempfehlung lediglich "empfehlenden Charakter" hat. Im Januar 2003 hat sich die Kultusministerkonferenz bereits auf einheitliche Kriterien für die Aufnahme eines Kindes in eine weiterführende Schule geeinigt. Danach sind Eignung, Neigung und Wille des Kindes zu geistiger Arbeit "unentbehrliche Kenntnisse und Fertigkeiten".

Offen bleibt jedoch, wie diese Anforderungen festgestellt werden sollen. Obwohl Eltern in Rheinland-Pfalz alleine entscheiden können, ob ihr Kind aufs Gymnasium geht, sei die Übergangsquote von der Grundschule zum Gymnasium nicht deutlich gestiegen, heißt es aus dem Ministerium.

Jasmin hat mittlerweile einen Platz auf dem Gymnasium. Nur ist es nicht die Wunschschule. "Welchen Sinn machen dann die ganzen Vergleichstests und Pisa-Studien, wenn die besten Grundschüler nicht auch ein besonderes Bildungsangebot eines Gymnasiums wählen können?", ärgert sich Jasmins Vater noch immer darüber.

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