"Ich warne vor einem endgültigen Nein"

SAARBRÜCKEN. (red) Rheinland-Pfalz verliert Prognosen zufolge bis 2030 mehr als ein Viertel seiner Einwohner. Auch deshalb hält der rheinland-pfälzische Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) daran fest, dass man Überlegungen zur Länderneugliederung anstellen sollte.

Mit dem Vorschlag, das Saarland zu übernehmen, haben Sie an der Saar nicht viele Freunde gewonnen. Wie ernst ist Ihr Ansinnen?Beck: Es ist mir ernst mit dem Ansinnen, aber ich habe die Diskussion nicht begonnen. Begonnen wurde sie von Wolfgang Schäuble, Walter Döring und anderen Politikern. Ich habe es einigermaßen satt, diese Dinge ständig unverbindlich zu diskutieren. Und deswegen habe ich in meiner Rede gesagt, ich strecke die Hand aus und biete unseren Nachbarn im Saarland an, dass wir in Gespräche eintreten über eine Fusion der beiden Länder. Es geht darum auszuloten, ob es auf beiden Seiten gute Gründe dafür gibt. Dann wären Volksbefragungen durchzuführen, wie es die Verfassung vorsieht. Unter anderem haben Sie vorgeschlagen, das Thema Volksabstimmung auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung zu beraten. Beck: Ich habe vorgeschlagen, über das Thema bei einer geplanten Sitzung einen Meinungsaustausch zu führen. Wenn Ihr Saarbrücker Kollege Peter Müller darin einwilligen würde, könnte das so verstanden werden, dass er die Existenz des Saarlandes zur Disposition stellt. Kann man das von einem Politiker verlangen? Beck: Ja, man muss das von uns beiden verlangen. Ich würde ja auch die Existenz des Landes Rheinland-Pfalz, wenn man so argumentiert, in Frage stellen. Es geht nicht darum, dass einer den anderen übernimmt, sondern darum, dass wir nach einer Lösung für eine gemeinsame Zukunft suchen. Da darf keiner untergehen oder über den Tisch gezogen werden. Solche Diskussionen führt man nicht zum Spaß. Deshalb erwarte ich von meinem Kollegen Peter Müller, dass er seinem Parteifreund Schäuble sagt: Nein, wir wollen dies nicht. Dann respektiere ich dies, auch wenn ich davor warne, hier ein endgültiges Nein auszusprechen. Doch Saarländer und Rheinland-Pfälzer sollten einen Blick auf die demographische Entwicklung werfen. Wir werden in den nächsten drei Jahrzehnten von über vier auf drei Millionen Einwohner absinken. Im Saarland wird das ähnlich sein. Man muss doch darüber nachdenken dürfen, ob für diese Entwicklung Weichen gestellt werden müssen. Das halte ich geradezu für eine Pflicht von Politikern. Wenn man den Sack der Länderneugliederung aufmacht: Bis wohin müsste man dann gehen? Man würde das Problem der knappen Kassen ja nicht lösen, sondern nur auf eine andere Ebene verlagern, behaupten Volkswirtschaftler. Beck: Wenn jeder immer nur sagt, die Neugliederung sollen erst mal die Berliner und Brandenburger anpacken, oder dann soll man erst mal einen Nordstaat aus der Taufe heben, dann kommen wir ja nie einen Millimeter weiter. Jeder sollte zunächst dort anfangen, wo er selber betroffen ist, und nicht mit dem Finger auf andere zeigen. Deshalb ging es mir darum, einen Lackmus-Test auf das zu machen, was von CDU und FDP angestoßen und nicht von mir auf die Tagesordnung gebracht wurde. Natürlich werden, wenn zwei fusionierende Länder nicht besonders finanzstark sind, nicht alle Probleme gelöst. Aber es wären sicher auch beachtliche Synergie-Effekte erreichbar. Einer dieser von Ihnen zitierten Volkswirtschaftler hat auch gesagt, man müsse mehr kooperieren. Dafür bin ich auch. Aber dieser hat zugleich vorgeschlagen, die Polizei und die Schulpolitik gemeinsam zu betreiben. Doch was bleibt von einem Land noch übrig, wenn man diese Kompetenzen zusammenwirft? In den letzten 100 Jahren war das Saarland immer wieder Spielball der Mächte. Zwei Mal haben die Saarländer sich eindeutig für ihre politische Zugehörigkeit entschieden. Glauben Sie, dass das beim nächsten Mal anders wäre? Beck: Das ist doch was ganz anderes. Wir reden doch nicht über eine Neuordnung nach einer kriegerischen Auseinandersetzung. Wir reden darüber, ob wir in einer Zeit, in der unsere Bevölkerungszahlen deutlich zurückgehen, jetzt weit genug sind zu überlegen, ob wir gemeinsam die Zukunft gestalten. Wenn ich Saarländer wäre, würde ich auch nicht zustimmen, das Saarland aufzulösen. Mit Kurt Beck sprach unser Mitarbeiter Gerhard Franz.

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