KOMMENTAR: Klartext

Manchmal ist es gut, wenn jemand ohne diplomatische Rücksichtnahme reden kann. Worauf Björn Schlottmann, langjähriger Strafkammervorsitzender am Landgericht Trier, bei seiner letzten großen Urteilsverkündung beeindruckend hingewiesen hat, ist eine Grundsatzfrage der Rechtspflege in diesem Land.

Manchmal ist es gut, wenn jemand ohne diplomatische Rücksichtnahme reden kann. Worauf Björn Schlottmann, langjähriger Strafkammervorsitzender am Landgericht Trier, bei seiner letzten großen Urteilsverkündung beeindruckend hingewiesen hat, ist eine Grundsatzfrage der Rechtspflege in diesem Land. Will man bei dem Prinzip bleiben, in jedem Strafverfahren so umfassend wie möglich aufzuklären, auch um den Preis eines unverhältnismäßigen Aufwands? Oder soll der Grundsatz der Effizienz in Strafprozesse Einzug halten, auch wenn das Einschnitte ins Netz der Bürgerrechte verursacht? Das ist keine Fach-Frage für Juristen, sie geht die ganze Gesellschaft an. Angesichts mancher endlos herausgezögerten Prozesse kann man mit Fug und Recht nach den Grenzen des Rechtsstaates fragen. Aber wer Rechtsfindung und Kosten-Nutzen-Erwägungen stärker unter einen Hut bringen will, muss das über saubere, parlamentarisch abgesicherte prozessrechtliche Reformen tun. Was zurzeit passiert, ist etwas anderes: Man wirft der Justiz den überbordenden Wust von Verfahren auf den Richtertisch nach dem Motto: Schaut halt, wie ihr zurechtkommt. Das Personal und die Zeit werden immer knapper, die Tretminen immer dichter, die Medien immer ungeduldiger, nur die Revisionsinstanzen bleiben unverändert unnachsichtig. Kein Wunder, dass der "Deal" immer öfter als einzige Lösung bleibt. Man möchte kein Richter sein in diesen Tagen. Verständlich, dass Demnächst-Pensionär Schlottmann seinen Ärger mal los werden musste. Vielleicht wird ja eine Diskussion draus.

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