"Kalt und emotionslos"

TRIER. Weil er seine Ehefrau ermordet hat, muss ein 45 Jahre alter Mann aus Nittel lebenslang ins Gefängnis. Der Mann hatte die Bluttat bis zuletzt bestritten.

Thomas B. macht auch am letzten Prozesstag keine Ausnahme. Wie ein Unbeteiligter, der die Verhandlung mehr gelangweilt denn interessiert verfolgt, sitzt der an den Füßen gefesselte Mann zwischen seinen beiden Anwälten auf der Anklagebank. Er schaut vor sich ins Leere, das Kinn - wie so oft - auf die Daumen seiner gefalteten Hände gestützt. 14 Tage lang hat Thomas B. so den Mordprozess gegen sich verfolgt - "kalt, emotionslos, distanziert", sagt Staatsanwalt Eric Samel. Nur einmal hat der 45-Jährige kurz gelächelt - als sein elfjähriger Sohn, den die Verteidiger zum Unmut der Zuschauer geladen hatten, als Zeuge aussagen sollte. Der Sohn schwieg und würdigte seinen Vater nur eines kurzen, scheuen Blickes."Mein Kind bekomme ich nicht zurück"

Wie kann ein Mann, über den in seinem nie verlassenen Heimatdorf Nittel niemand etwas wirklich Schlechtes zu berichten weiß, scheinbar so emotionslos sein? "Vielleicht", sagt ein Zuschauer, "hat er sich mittlerweile seine eigene Wirklichkeit konstruiert und glaubt jetzt selbst, dass er nicht der Täter ist." Die Indizien gegen Thomas B. sprechen eine andere Sprache. Als Richterin Irmtrud Finkelgruen ihr Urteil begründet, müssen sich die im Gerichtssaal anwesenden Mord-Ermittler und Spurensicherer geadelt fühlen. Ohne die minutiöse Arbeit der Trierer Kriminalpolizisten und des Rechtsmediziners Christian Schyma hätte der Angeklagte nicht verurteilt werden können, sagt Finkelgruen. Dank der Kripo-Leute und modernster Technik wurden im Anwesen des Angeklagten Mini-Belastungsspuren selbst im Ablaufsieb der Waschmaschine sicher gestellt und sogar die Umrisse eines Tage zuvor auf dem Garagenboden gelegenen Körpers sichtbar gemacht. Es war der Körper des Opfers Michaela B., die dort am späten Nachmittag des 5. November von ihrem Ehemann bewusstlos geschlagen wurde, bevor er sie im Kofferraum ihres Wagens in einen Waldweg bei Wellen fuhr und sie dort schließlich brutal ermordete, um die vorausgegangene Körperverletzung zu verdecken. "Es gibt keinen vernünftigen Zweifel, dass Thomas B. für dieses Horror-Szenario verantwortlich ist", sagt die Richterin, auch wenn sie über ein Motiv nur mutmaßen kann. So harmonisch, wie von Thomas B. dargestellt, war die Ehe nicht, mehr als einmal hatte die sieben Jahre jüngere Michaela angekündigt, ihren Mann zu verlassen. War das der Grund, warum der 45-Jährige ausrastete, und er seine Frau erschlug? Die ganze Wahrheit, die ganze Tragödie hinter dieser Geschichte wird wohl nie jemand erfahren. Thomas B. muss lebenslang hinter Gitter. Frühestens nach 15 Jahren kann er wieder in die Freiheit entlassen werden. Dann ist er 60, sein bei Verwandten von ihm untergebrachter Sohn, der auf einen Schlag Mutter und Vater verloren hat, 26. Die Mutter des Opfers, die den Prozess als Nebenklägerin verfolgt hat, wischt sich am Ende ein paar Tränen aus dem Gesicht, als das fünfköpfige Gericht den Saal schon verlassen hat. "Ja", sagt Christa Weirich leise, "ich bin zufrieden mit dem Urteil. Aber mein Kind bekomme ich dadurch nicht zurück."

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