Leidende Gewinner des Grenzverkehrs

TRIER. Sie haben die gleichen Probleme und fühlen sich dennoch als Gewinner: Fachleute aus allen Teilen der Großregion haben in Trier über Chancen und Herausforderungen eines europaweit einzigartigen Grenzverkehrs gesprochen.

Sie fahren von Forbach nach Saarbrücken, von Verviers nach Aachen oder von Thionville, Merzig und Trier nach Luxemburg: 120 000 Menschen - so viele wie nirgendwo sonst in Europa - überqueren in der Großregion täglich Grenzen, weil sie nicht dort arbeiten, wo sie wohnen. Insbesondere der Strom Richtung Luxemburg wird immer größer. Diese große Mobilität bringt Probleme mit sich. Doch gleichzeitig profitieren alle betroffenen Teilregionen - also Luxemburg, Lothringen, das Saarland, Wallonien und die Region Trier - vom regen Austausch. Am Dienstagabend hat eine internationale Expertenrunde über die Chancen und die Herausforderungen dieser Mobilität diskutiert. Die Europäische Rechtsakademie (ERA) und die Interregionale Presse (IPI) hatten sie zum 5. Schengener Forum nach Trier eingeladen. Nach Ansicht von Karl-Heinz Päulgen, Präsident des interregionalen Gewerkschaftsrates, besitzt die Großregion die Voraussetzungen, zur europäischen Modellregion zu werden. Obwohl er schon so lange währt, nennt Päulgen als höchstes Gut den Frieden, gefolgt von der Bereitschaft, Grenzen zu überqueren. "Die Region verfügt zudem über Strukturen, wie es sie sonst in Europa nicht noch einmal gibt", sagt er und beginnt eine ellenlange Aufzählung von Einrichtungen mit überregionaler Bestimmung: Gipfel und Wirtschaftsausschuss der Großregion, Europäischer Gerichtshof, Kunstakademie, Tourismusinstitut, Sportakademie... Für die "Modellregion" gibt es noch viel zu tun - das Fehlen einer einheitlichen Gesetzgebung beklagt die Expertenrunde und auch, dass die Region wegen der schlechten Verkehrsanbindung von den deutschen Ballungsräumen abgeschnitten ist. "Nur drei Prozent der Pendler nutzen öffentliche Verkehrsmittel", sagt Päulgen. Grund sei die mangelnde Attraktivität - auch aus ökologischer Sicht sei das bedenklich. Die Probleme, die der Grenzverkehr verursacht, scheinen überall gleich zu sein: verstopfte Straßen, steigende Grundstückspreise in und um Luxemburg, Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte und die Angst, dass aus intakten Gemeinden "Schlafstädte" werden könnten. Die Lothringer, wo zwei Drittel der Berufspendler der Region leben, können davon ein Lied singen. Dennoch glauben alle Regionen von der Mobilität zu profitieren - und das nicht nur, weil das nahe Ausland Arbeitsplätze bietet. "Die Handwerker in der Region Trier machen 46 Prozent ihres Umsatzes im Ausland ", sagt Päulgen. Und das, obwohl die Deutschen im Vergleich wegen mangelnder Französischkenntnisse hinterherhinken. Zudem bemühen sich Unternehmen, um attraktiv zu bleiben, mehr um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf - auch dies ein Plus für die Menschen vor Ort.

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