Missionierung à la Marx

TRIER. Ob Sterbehilfe, Irak-Krieg oder Papst: Es gibt kaum ein breit diskutiertes Thema, zu dem sich der Trierer Bischof Reinhard Marx nicht öffentlich äußert. Immer häufiger vor einem Millionenpublikum. Marx ist ein gefragter Mann – und längst auf dem Weg zum Medien-Bischof der Republik.

Dienstagabend, kurz nach halb acht: Der Name des neuen Papstes ist erst vor einer guten Stunde verkündet worden, da bittet Triers Bischof Reinhard Marx die Journalisten bereits zur Audienz in seinen Amtssitz. Ein kurzes Statement vor den Mikrofonen, dann beantwortet der 51-jährige Kirchenmann geduldig ein dutzend Fragen der herbeigeeilten Journalisten."Was der Bischof sagt, versteht man auch"

Die Zeit drängt, denn schon um kurz nach 20 Uhr wird der Bischof ein paar hundert Meter entfernt erwartet - in einem Fernsehstudio der Firma Telemedia. Rasch wird Reinhard Marx noch etwas geschminkt, dann geht's schon auf Sendung. Die nächsten zwei Stunden ist das Trierer Kirchenoberhaupt einer der gefragtesten Interviewpartner der Republik in Sachen neuer Papst, mal live, mal aufgezeichnet: Die erste "Schalte" geht nach Mainz zum SWR; es folgen N 24, das ZDF-"heute journal", die "Tagesthemen" und schließlich noch der NDR. Erst danach ist Sende- schluss für den Bischof. Der Tag der Papstwahl: in punkto Medienpräsenz sicherlich auch ein Ausnahmetag für den gebürtigen Westfalen Marx. Doch eines ist nicht zu überlesen, nicht zu übersehen und nicht zu überhören: Der Trierer Bischof ist bei Zeitungen, Fernsehsendern und Rundfunkanstalten gefragter denn je. So häufig wie Marx hat kein anderer der 66 deutschen Bischöfe Gelegenheit, sich vor einem Millionenpublikum zu äußern, abgesehen vielleicht von dem Mainzer Bischof Kardinal Lehmann. Doch dem 68-Jährigen läuft Marx zunehmend den Rang ab, seit der Trierer im Februar vor zwei Jahren erstmals bei Sonntags-Talkerin Sabine Christiansen Platz nahm. Im Vorfeld des Irak-Kriegs beeindruckte der Trierer Bischof Zuschauer und Journalisten gleichermaßen durch kundige und dennoch kurze, pointierte Statements ("Wie viele Tote soll es kosten, Saddam Hussein zu beseitigen?”), die überdies auch noch verständlich waren. Neben dem telegenen Auftreten des Kirchenmannes zweifelsohne eine der großen Stärken von Reinhard Marx. Das weiß auch sein Hauptabteilungsleiter Medien, der Fernsehpfarrer Stephan Wahl: "Was der Bischof sagt, versteht man auch." Weil sich das in Journalistenkreisen längst herumgesprochen hat, ist der Trierer Bischof im Fernsehen mittlerweile so häufig präsent wie der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter. "Bei wirklichen dicken Themen wie der Papstwahl kommen an einem Tag schon mal 50 Anfragen rein", sagt sein Sprecher Stephan Kronenburg. Als Moderator gefloppt

Neben diversen Fernseh- und Radiosendern sind es vor allem regionale und überregionale Zeitungen und Zeitschriften, die um Interviews nachfragen, einen Beitrag erbitten oder nur ein kurzes Statement haben möchten. Längst nicht allen Anfragen kommt der Trierer Bischof nach - schon allein aus Zeitgründen. "Die Seelsorge geht vor", sagt sein Sprecher. Die Pressestelle um ihren Chef Stephan Wahl schaut aber nicht nur in den bischöflichen Terminkalender. "Auch Thema und Umfeld müssen stimmen", sagt Stephan Kronenburg. Doch weder Wahl noch Kronenburg bestreiten, dass in Zeiten sich leerender Kirchen die Medien ein immer wichtiger werdendes Transportmittel sind, um die frohe Botschaft auch an den Mann zu bringen. "Die Kirche wird von vielen nur noch wahrgenommen, wenn die Inhalte über so genannte säkulare Medien verbreitet werden", sagt Kronenburg. Dabei macht der Bischof selbst keinen Hehl daraus, dass ihm die moderne Art der Missionierung Spaß macht. "Ich tue das relativ häufig und werde dafür auch kritisiert. Aber ich glaube, dass es notwendig ist", antwortete er unlängst im Christiansen-Chat auf die Frage, ob sich die Kirche in politischen Fragen nicht häufiger einmischen solle. So professionell sich der längst für höhere Weihen gehandelte Trierer Bischof auch als Talk-Gast gibt: Sein Ausflug auf die andere Seite des Tischs floppte. Eine Diskussionssendung im saarländischen Rundfunk mit Marx als Gastgeber wurde vor einem Jahr gleich nach der Premiere wieder abgesetzt. Stephan Wahl drückt es vornehmer aus: "Wegen unterschiedlicher Vorstellungen auf Eis gelegt."

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