Neonazis suchen Verbündete

MAINZ. Deutschlands Rechtsextremisten sind auf der Suche nach Verbündeten. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes gibt es sogar Signale an Linksextremisten und Aufrufe für eine Volksfront.

Rechtsextremistische Gruppen schlagen neue Wege ein, um ihre Außenseiterposition zu überwinden. Dabei scheuen sich die Neonazis nicht, traditionell "linke" Themen und Schlagworte zu übernehmen. Doch hinter dem rechtsextremistischen Antiimperialismus verberge sich nur notdürftig getarnter Antisemitismus und Antiamerikanismus, sagte Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm beim Forum "Innere Sicherheit" des Mainzer Innenministeriums. Nach Beobachtung der Verfassungsschützer gibt es Signale von rechts auch an Linksextremisten und Aufrufe zur Bildung einer Volksfront mit antikapitalistischer Ausrichtung. Auf der Gegenseite warnen Linke dagegen vor rechtsextremistischen Anschlussbewegungen. Nach Fromms Einschätzung sind die Rechten in Methoden und Agitation erheblich wandlungsfähiger geworden. Doch ihre vermeintlich neuen Wege führten zu alten Zielen, nämlich in die Diktatur, warnt Fromm. Zwar sind bundesweit rechtsextremistische Gewalttaten seit 1993 von knapp 1500 auf fast die Hälfte gesunken, während die Zahl der Gewaltbereiten, vor allem in der Skinhead-Szene, permanent gestiegen ist. Doch der Trierer Soziologe Professor Roland Eckert befürchtet, dass mit der EU-Osterweiterung und dem damit zu erwartenden Zustrom von EU-Bürgern die rechtsextremistische Gewalt einen neuen Schub erhält. "Wachsende Arbeitslosigkeit und Einwanderung sind zusammen Dynamit", folgert Eckert aus seinen langjährigen Untersuchungen. Für Teile der Bevölkerung, die ohne Ausbildung, ohne Job und ohne Selbstwertgefühl sind, entwickele sich aus dieser Situation ein Bedrohungsszenario. Bis zu 15 Prozent eines Jahrgangs hält der Wissenschaftler für anfällig in Sachen Fremdenfeindlichkeit. Seine Arbeiten zeigen, dass es zudem eine große Überlappung zwischen fremdenfeindlichen Straftaten und allgemeiner Jugendgewalt gibt. Der Anteil der Arbeitslosen liegt doppelt so hoch wie im allgemeinen Durchschnitt. Die Fremden müssen als Sündenböcke für die eigene Misere herhalten, heißt die Schlussfolgerung. Eckart weist dem Bildungssystem im Kampf gegen die Ursachen der Gewalt gegen Fremde eine entscheidende Rolle zu. Das Schulsystem muss nach seiner Überzeugung die Aussicht auf Ausbildung und Arbeit sicherstellen. Die Schule allein könne kein Reparaturbetrieb sein, meint Innenminister Walter Zuber. Er sieht die Eltern gefordert, die Toleranz vermitteln müssten. "Wir haben bei der Zuwanderung vergessen, die Menschen zu integrieren", so seine selbstkritische Bilanz.

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