Paradiesische Steuertricks - Wie Konzerne und Reiche sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen

München/Trier · Neue Enthüllungen bringen große Konzerne und etliche prominente Reiche in Erklärungsnot. Die Mainzer Finanzministerin Doris Ahnen sagt, dass Steuervermeidung viel zu einfach ist.

Nach den jüngsten Enthüllungen über Steuertricksereien von Konzernen und Superreichen fordert die rheinland-pfälzische Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) das Schließen von Lücken im internationalen Steuerrecht. Es sei insbesondere für große Vermögen viel zu einfach, Steuerparadiese zu nutzen und Steuern in Milliardenhöhe zu vermeiden, sagte die Ministerin auf Anfrage unserer Zeitung. Niemand dürfe sich seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft entziehen.

Die federführend von der Süddeutschen Zeitung und anderen Medien weltweit gemachte Recherche zeigt, wie Spitzensportler, Superreiche und Musiker Steuern vermeiden, multinationale Konzerne Gewinne in Steueroasen verschieben und Politiker Geschäfte mit zum Teil dubiosen Partnern abwickeln. Auch über einige deutsche Unternehmen und Firmenerben gibt es in den rund 13,4 Millionen Dokumenten und Datensätzen der sogenannten Paradise Papers Informationen.

Besonders in den Fokus wird zum Beispiel der amerikanische Handelsminister Wilbur Ross gerückt. Er profitiere als Privatmann von Geschäften mit einer Firma, die dem Schwiegersohn des russischen Präsidenten Wladimir Putin und Kreml-nahen Geschäftsleuten gehöre. Aber auch andere Prominente wie U2-Sänger Bono oder ein enger Vertrauter des kanadischen Premiers Trudeau, Firmen wie Nike oder Apple, die deutsche Milliardärsfamilie Engelhorn und Glücksspiel-Unternehmer Paul Gauselmann tauchen in Zusammenhang mit den Paradise Papers auf.

Die Nutzer von Steueroasen entzögen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, klagt der Landesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Stefan Bayer. Anders als der normale Steuerzahler könnten sich Superreiche oder Großkonzerne findige Finanz- und Rechtsexperten leisten. Laut Bayer ist es für deutsche Finanzbehörden oft schwierig bis unmöglich, Auskünfte über Briefkastenfirmen in Steueroasen zu bekommen.

Die auf den Bermudas ansässige Anwaltskanzlei Appleby hatte vor wenigen Tagen eingeräumt, dass einem Mediennetzwerk möglicherweise illegal Datenmaterial zugespielt worden sei. Die Firma betont, im Einklang mit den Gesetzen zu handeln. Nach sorgsamer und intensiver Prüfung sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinerlei Belege für Fehlverhalten seitens der Firma oder ihrer Klienten gebe. Appleby sprach nicht von einem Datenleck, sondern von einem illegalen Cyber-Angriff.

Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) kündigte am Montag an, dass sein Bundesland die Paradise Papers federführend auswerten wolle. Hessen helfe bereits bei der zentralen Auswertung der ähnlich gelagerten Panama Papers. Wegen der Panama-Enthüllungen kam es 2016 weltweit zu Ermittlungen. In Island führte die Veröffentlichung zum Rücktritt des Ministerpräsidenten und zum Verzicht des Staatschefs auf die Wiederwahl. In Pakistan wurde Ministerpräsident Sharif des Amtes enthoben. Der ehemalige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vergleicht das Vorgehen gegen die kreativen Steuersparmodelle mit einem "Kampf gegen die Hydra". Man schlage einen Kopf ab, und es wüchsen neue nach.

Mehr zum Thema:
Interview Thomas Eigenthaler: „Ohne Strafandrohung kommt keiner ins Schwitzen“

Millioneneinnahmen durch Selbstanzeigen

Das Finanzamt Trier hat durch 2200 Selbstanzeigen in den zurückliegenden sieben Jahren 60 Millionen Euro mehr eingenommen. Meist ging es um Geldanlagen in Luxemburg. In diesem Jahr gab es bislang 132 Selbstanzeigen.
Mehr zum Thema:

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort