Schlimmer als Stecknadel-Suche

ÜTTFELD/TRIER. Helle Aufregung um eine angeblich aus der Eifel zu einem Trierer Schrotthändler transportierte Weltkriegs-Granate. Nach mehrstündiger Suche gab der Kampfmittelräumdienst gestern Nachmittag Entwarnung: Die endlich gefundene Granate war keine.

Bruno Gondert, Chef der Eisen- und Schrotthandelsgesellschaft Hochscheider, ist sichtlich angefressen. Einer seiner Zulieferer hatte am Mittwochmittag die Ladung mit der Fracht aus Üttfeld (Kreis Bitburg-Prüm) auf Gonderts Betriebsgelände in Trier-Ehrang abgeladen. Am Morgen hörte der Mann dann im Radio, welch' brisante Fracht er am Vortag angeblich durch die Gegend kutschiert hatte - eine Granate, die unter dem Üttfelder Schrott gelegen haben soll. Der Zulieferer informiert Gondert, der die Polizei, die den Kampfmittelräumdienst. Und so stapfen an diesem Morgen denn Horst Lenz, der hemdsärmelige oberste Bomben-Entschärfer des Landes, und Bruno Gondert über das Betriebsgelände an der Ehranger Eisenbahntrasse. Vor einem haushohen Schrottberg, der durch ein rotes Sicherheitsband provisorisch abgesperrt ist, bleibt der Geschäftsführer stehen. "Hier vorne links wurde gestern abgekippt", sagt er und zeigt in Richtung des riesigen Haufens Altmetall. "Ich hab' den Mist, andere die Sahnestücke"

Horst Lenz und seine drei Kollegen müssen schlucken angesichts der Sisyphusarbeit, die ihnen nun bevorsteht. Stück für Stück, unterstützt von einem Hydraulik-Bagger, müssen die Männer in den nächsten Stunden vorsichtig den Schrotthaufen abtragen - auf der Suche nach der vermeintlichen Weltkriegsgranate. 30 bis 40 Zentimeter lang soll sie sein, zehn Zentimeter dick. Mehr Informationen haben die Männer nicht. "Dagegen ist die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen ein wahres Vergnügen", grummelt Lenz. "Da halten Sie einen Magneten rein. Und schon haben Sie das gute Stück." Das hier aber sei "die Suche nach einem Nagel in einem ganzen Berg von Nägeln". Da wird selbst ein erfahrener Bomben-Entschärfer plötzlich ganz neidisch auf die Koblenzer Kollegen. "Ich habe immer den Mist und die die Sahnestückchen", schimpft Lenz und muss dabei selbst ein wenig schmunzeln. Denn was er als Sahnestückchen beschreibt, war in Natura eine 100-Pfund-Bombe, die unlängst an einer Bundesstraße bei Koblenz gefunden wurde. "So etwas", sagt Lenz, "ist schnell entschärft". Hochscheider-Chef Gondert drücken derweil ganz andere Probleme. "Das hier", sagt er, "kostet mich eine ganze Stange Geld". Zwar ist der Einsatz des Kampfmittelräumdienstes für ihn gratis. Doch die Arbeit in seinem Betrieb muss aus Sicherheitsgründen eingestellt werden. Irgendwie scheint Bruno Gondert mit Weltkriegshinterlassenschaften kein Glück zu haben. Erst vor drei Jahren stieß er bei Ausschachtungsarbeiten auf eine Zweieinhalb-Zentner-Bombe. Da sich ein Zünder verklemmt hatte, konnte der Räumdienst die Bombe damals nicht entschärfen. Sie musste gesprengt werden. Weil dazu eigens eine Grube ausgehoben werden musste, in die erst die Bombe und darauf Sand kam, flatterte Gondert später eine Rechnung der Stadt Trier ins Haus. 3000 Euro kostete ihn schließlich der Spaß, der für den Unternehmer keiner war. Zurück zur Granaten-Suche: Um kurz nach 15 Uhr ist Bomben-Entschärfer Lenz schon leicht genervt, weil das brisante Teil immer noch nicht gefunden und die Entladestelle vom Vortag bereits komplett untersucht ist. Dennoch machen er und seine Männer weiter. Notdürftig abgedeckt

Kurz darauf finden sie ein Metallrohr, das zumindest so aussieht wie der gesuchte Gegenstand. Nur: Eine gefährliche Granate ist das nicht. "Nicht mal Munition", sagt Firmenchef Gondert. Trotzdem: Das Teil wird fotografiert, das Bild per E-Mail an die Prümer Polizei gesandt. Die fährt mit einer Streife nach Üttfeld - zur Identifizierung. Um kurz vor 18 Uhr kommt endlich die Entwarnung. Es ist die angebliche Granate aus Üttfeld. Derweil fragt man sich nicht nur in der Eifel, wie es zu dem Abtransport kommen konnte. Fakt ist, dass das offenkundig stark korrodierte und löchrige Teil am Mittwochvormittag zusammen mit anderem Altmetall von einem Grundstück in Oberüttfeld auf einen Lastwagen gehievt wurde. Hinter einem Mauervorsprung soll das angebliche Kriegsrelikt gelegen haben, das per Hand verladen wurde. Während der "Besitzer", der den Abtransport selbst bei der Polizei meldete, sich zu dem Fall nicht äußern wollte, ergaben TV-Recherchen, dass die "Granate" schon vor drei Wochen bei Entrümpelungsarbeiten ans Tageslicht gekommen ist. "Bei Gelegenheit" habe sich der Grundstückseigentümer bei den Behörden melden wollen. Deshalb sei das Teil notdürftig mit einer Blechplatte abgedeckt worden, hieß es.

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