Schuss vor den Bug des Parteivorsitzenden

MAINZ. Denkzettel für den Mann mit "Ecken und Kanten": Auch wenn es nicht zur angekündigten Kampfkandidatur gegen Grünen-Landesvorsitzenden Manfred Seibel kam, die lediglich 64 Prozent Ja-Stimmen bei der Vorstandswahl waren ein deutliches Warnzeichen.

Gegen Ende des zweitägigen Parteitags in Mainz kam sogar der etwas eigentümliche grüne Humor auf. Sollte in den kommunalpolitischen Leitlinien die geforderte Verkehrswende wirklich mit dem amerikanischen Begriff "U-Turn" (für 180 Grad Drehung) überschrieben werden? Und sollten sich in einer intakten Umwelt weiterhin "Fuchs und Igel" oder "Fuchs und Hase" oder doch besser "Hase und Igel" gute Nacht sagen können? Weniger entspannt blickten am Vortag Führungsspitze und mehr als 120 Delegierte den Vorstandswahlen entgegen, die als Test vor allem für den Vorsitzenden Manfred Seibel angesehen wurden. Der Pfälzer, der sich selbst als "Mann mit Ecken und Kanten" beschreibt, war mit seinem Verständnis von straffer Führung und politischer Steuerung vor allem in der Landtagsfraktion, aber auch bei manchem Basis-Vertreter angeeckt. Zwei Tage vor der Versammlung hatte Parteiratsmitglied Jutta Blatzheim-Roegler (Bernkastel-Kues) überraschend ihre Kandidatur gegen Seibel verkündet. Sie stehe für Integration und Dialog statt Konfrontation, so ihre Botschaft. Doch genau so überraschend wie angekündigt wurde die Bewerbung auch wieder unmittelbar vor der Wahl zurück gezogen. So blieb es an Landtagsfraktions-Vize Bernhard Braun, Seibel frontal anzugehen. Nur an die Regierung zu wollen, sei noch keine Strategie, hielt er dem Parteichef vor. Politische Inhalte seien gerade Seibels Manko. Wer politisch steuern wolle, müsse auch aufpassen, dass er nicht gegen die Wand fahre, lautete Brauns Warnung an die Grünen-Spitze, nicht alles an sich zu reißen. Seibel zeigte sich einsichtig und räumte ein, in Stil und Umgang Fehler gemacht zu haben. Vorgehalten wurden ihm nicht nur ein Mangel an Kommunikation, sondern auch taktische Fehler bei der Aufstellung der Grünen-Europawahlliste, bei der rheinland-pfälzische Kandidaten auf aussichtsreichen Plätzen nicht zum Zuge kamen. Während Tabea Rößner als Seibels Kollegin in der Vorstandsspitze mit 86 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt wurde, erhielt Seibel selbst mit 64 Prozent einen deutlichen Schuss vor den Bug. Mit dem "ehrlichen Ergebnis" könne er leben, kommentierte der selbstständige Unternehmer und gelernte Drucker das Votum. Nuklear-Geschäft sicher: Alles nur Gerüchte?

Entschieden abgelehnt wurde von den Grünen der Export von Atomanlagen. Bundesparteichef Reinhard Bütikofer bezeichnete es als Gerücht, dass sich die rot-grüne Bundesregierung bereits auf das von Siemens geplante Nukleargeschäft mit China verständigt habe. Die Grünen wollten alle Hebel nutzen, um den Verkauf der Hanauer Anlage zu verhindern, sagte Bütikofer. Beim Atomausstieg gibt es aus seiner Sicht noch viele "Weichstellen" und entsprechend noch eine Menge programmierten Streit vor allem im Bereich des Außenhandels. Für die Kommunalwahlen 2004 haben sich die Grünen vorgenommen, das magere Ergebnis von 1999 mit 5,0 Prozent deutlich zu verbessern. Unter anderem fordern sie einen deutlichen Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahre auf 20 Prozent der Abdeckung bis 2008, eine Erweiterung des öffentlichen Personennahverkehrs und eine gesicherte finanzielle Ausstattung der Kommunen. In der Verkehrspolitik sprach sich die Ökopartei mit Mehrheit für den "U-Turn" aus, weil die flotte Überschrift "ankommt und anstößt". "Gute Nacht" sagen dürfen sich zumindest im Parteiprogramm Hase und Igel, ist doch das stachelige Tier das Symbol der nicht pflegeleichten grünen Jugend. Grüner Vorstand: In ihren Ämtern im Grünen-Vorstand wurden bestätigt: Tabea Rößner, Mainz (105 Ja, 13 Nein, 4 Enthaltungen); Manfred Seibel, Hauenstein (84 Ja, 37 Nein, 10 Enth.); Schatzmeisterin: Britta Steck, Gornhausen (115 Ja, 4 Nein, 2 Enth.).

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