"Sorry, Martina"

TRIER. Der Mordprozess gegen Detlef L. ist in dieser Woche mit drei Verhandlungstagen fortgesetzt worden. Nun wird er aus Termingründen für drei Wochen unterbrochen.

Ausführlich beschäftigt sich das Schwurgericht mit den Eindrücken der Polizisten, die den 39-Jährigen festnahmen und über mehrere Tage verhörten. Sie schildern ihre Arbeit ruhig und besonnen, erläutern akribisch die Protokolle. Das Bild des Angeklagten, das sie zeichnen, weicht von dem in der Hauptverhandlung ab: Er habe die Fragen problemlos verstanden und sei jederzeit in der Lage gewesen, der Vernehmung zu folgen, sagen die Kommissare unisono. Aufgefallen war ihnen Detlef L., weil er ein Foto von Martina K., seinem Opfer, nicht ansehen konnte. Weil er auch die abgesagte Verabredung verschwieg, von der die Polizei durch andere Zeugen wusste, landete er schon nach kürzester Zeit auf dem Revier. Dass er die Tat begangen hatte, räumte er bald ein, aber bei manchen Details blieb er schweigsam. "Er hat immer erst abgewartet, was die Polizei weiß", sagt der Ermittler. Später wird der Anwalt von Detlef L. eine zeitliche Lücke im Protokoll monieren. Aber Anhaltspunkte dafür, dass Aussagen des Angeklagten auf unkorrekte Weise erzielt worden sind, gibt es nicht. Mit Akribie widmet sich das Gericht noch einmal dem Klebeband, das Tage nach der Tat im Keller von Detlef L. gefunden wurde. Laut Gutachten sollen darauf Spuren von Blut und Speichel des Opfers gefunden worden sein. Die Kammer kämpft um dieses Indiz wie ein Löwe, ist es doch eine der wenigen Chancen, L.s Aussagen an einem objektiven Beweismittel zu messen. Könnte bewiesen werden, dass Martina K. mit diesem Band geknebelt worden ist, dann wäre die Version des Angeklagten erschüttert, und zwar in entscheidender Weise. Was er selbst bislang ausgesagt hat, würde auch eine Verurteilung wegen Totschlags in den Bereich des Denkbaren rücken. Ein geknebeltes und später, etwa zur Verdeckung einer Straftat, getötetes Opfer aber bringt das Verbrechen wesentlich näher an den Tatbestand des Mordes. Doch der Beweis ist schwer zu führen. Von einem "Knäuel aus Einzelstücken eines Abklebebandes" spricht der Gerichtsmediziner. Blutspuren, die man darauf gefunden hat, sind eindeutig Martina K. zuzuordnen. Aber Blut kann angesichts des grausigen Geschehens nach der Tat auf vielerlei Weise an das Band gekommen sein. Speichel wäre ein entscheidendes Beweismittel, aber ob die Spuren tatsächlich Speichel enthalten, kann der Gutachter "nicht mit letzter Sicherheit" nachweisen. Es gebe "starke Hinweise", aber nicht mehr. Das macht diese "große rätselhafte Frage", wie es die Vorsitzende Richterin formuliert, für das Gericht nicht einfacher. "Ich frage mich selbst, wo es herkommt", sagt Detlef L. vor Gericht. "Aber Sie gestatten, dass ich Ihnen das nicht glaube", gibt der Staatsanwalt zurück.Brief an die Tote aus dem Gefängnis

Detlef L. sei bei den Vernehmungen von sich aus immer wieder auf das Klebeband zu sprechen gekommen, so, als erwarte er von dem Polizisten eine Erklärung für die Herkunft des Bandes, sagt der Ermittler bei der gestrigen Verhandlung. "Das muss ihn bewegt haben", so der Kripo-Beamte an seinem zweiten Tag im Zeugenstand. Genauso, wie ihn die Frage bewegt habe, warum er der Toten neben Beinen und Kopf ausgerechnet die Hände abgetrennt habe. "Das macht doch keinen Sinn, oder?", habe er immer wieder gesagt. Detlef L. gibt den Ermittlern und dem Gericht Rätsel auf. Er gibt sich nicht als eiskalter, berechnender Mörder, viele seiner Aussagen sprechen für eine Kurzschlussreaktion. Dem widerspricht jedoch, wie akribisch er die Spuren in seiner Wohnung und an der Leiche entfernt hat. Blutspuren am Boden hat er mit Klarlack überstrichen und mit einem neuen Teppich überdeckt. Bevor er die Hände abtrennte, habe er sie "picobello", so Detlef L., mit einem Schwamm gesäubert. "Die hat mich doch gekratzt, da war Haut unter den Fingernägeln", soll er ausgesagt haben. Spuren an der Leiche beseitigt er mit Autoshampoo und einer Flaschenbürste. Doch dann zeigt sich wieder die andere Seite des gebrechlich und alt wirkenden Mannes. Im Gefängnis schreibt er einen Brief an die tote Martina K.: "Vielleicht sehen wir uns im Himmel wieder, aber ich komme bestimmt in die Hölle und muss Schmerzen erleiden…Sorry Martina." Es gibt noch weitere Rätsel. Mit denen sollte sich gestern der medizinische Gutachter auseinander setzen. Er bat jedoch um Aufschub.

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