Stippvisite beim ungarischen Rundfunk

MAINZ. Reisen bildet. Das wissen auch die Landtagsabgeordneten. So machen sich bis zum Ende der Wahlperiode in einem Jahr noch zwölf Parlamentsausschüsse auf Tour, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Insgesamt 130 000 Euro kostet diese Art der Weiterbildung.

Allein der Haushalts- und Finanzausschuss des Mainzer Landtags fühlt sich ausreichend informiert, um in der "Restlaufzeit" der Wahlperiode bis ins Frühjahr 2006 beraten zu können, ohne gleich die Koffer zu packen. Ansonsten machen sich die unterschiedlichsten Reisegruppen der Abgeordneten 17 Mal von Schweden bis Zypern und von Estland bis Spanien durch Europa oder in der Republik auf den Weg, um ihren Horizont zu erweitern. Gleich vier Mal bricht der offenbar besonders wissensdurstige Medienausschuss auf. Rund 13 600 Euro ist es dem Sozialpolitischen Ausschuss wert, sich im Juli vier Tage in Schweden über den vorbildlichen Charakter der Familienpolitik in Skandinavien und die Gesundheit im Arbeitsleben zu informieren. Zwecks Studium der europaweiten Angleichung von Studienabschlüssen treibt es den Wissenschaftsausschuss für 12 000 Euro bis nach Spanien. Um den Problemen und Möglichkeiten der Zweisprachigkeit in Kindergärten und Schulen gewissenhaft auf den Grund zu gehen, macht sich der Ausschuss für Bildung und Jugend nach Bozen in Südtirol auf den Weg (9100 Euro). Sich über die aktuelle politische Situation in einem neuen EU-Land informieren und Kontakte ausbauen heißt die Devise, wenn eine Delegation des Europaausschusses zu einem noch nicht bestimmten Termin für 12 000 Euro in Richtung Zypern abhebt. Europa ist eben nicht nur vor der Haustür. Dagegen zieht es den Ausschuss für Frauenförderung mit großen Erwartungen nach Schweden. Dort sucht man "Informationen über Erfahrungen mit Implementierung von Gender Mainstreaming und Methoden zur Umsetzung in Verwaltung und Wirtschaft". Das Thema Polizei und kommunale Strukturen steht auf dem Programm, wenn der gesamte Innenausschuss im Mai für fünf Tage Richtung Estland und Lettland ins Baltikum aufbricht (Kosten 12 300 Euro). In Slowenien will der Agrarausschuss die Situation von Landwirtschaft und Weinbau in einem neuen EU-Mitgliedsland unter die Lupe nehmen. Auf mehr als 20 000 Euro beläuft sich der Reiseetat des Ausschusses für Medien und Multimedia, der gleich vier Mal unterwegs ist. In Wien und Budapest gilt es der Digitalisierung des Rundfunks auf dem Gebiet der ehemaligen Donau-Monarchie nachzuspüren. Der Ausschuss reist nicht nur am häufigsten, er absolviert auch mit einer Ein-Tages-Tour zur Computermesse Cebit in Hannover den günstigsten Tripp. Dank des kostenlosen Bahntickets erster Klasse für die Volksvertreter sind dafür 150 Euro angesetzt. Nach dem Reiz der Energiegewinnung aus Erdwärme forscht der Umweltausschuss im italienischen Lardarello und investiert damit 11 200 Euro in die Zukunft. Mit einer auswärtigen Sitzung bei den Bundesgerichten in Leipzig oder Erfurt sowie einem Besuch beim Europäischen Bürgerbeauftragten und EU-Parlament in Brüssel dokumentieren sowohl Rechts- wie Petitionsausschuss, dass auch sie in großer politischer Verantwortung durchaus über die Landesgrenze hinweg schauen. Weil die Ausschüsse bereits in früheren Zeiten mit ihrer Reiselust für Aufmerksamkeit sorgten und das Geld knapper geworden ist, wurde vor Jahren der Reiseetat auf jährlich 90 000 Euro begrenzt. Allerdings wurde beim aktuellen Programm noch für die Monate bis zur Landtagswahl 2006 ein Zuschlag gebilligt.

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