Verständnis für scharfe Angriffe

Berlin. (dpa) Zehntausende bisher geduldete Ausländer können bald mit einer langfristigen Aufenthaltserlaubnis in Deutschland rechnen. Das Bundeskabinett verabschiedete gestern in Berlin Regelungen, die bis zu 100 000 der zurzeit 170 000 geduldeten Ausländern unter bestimmten Bedingungen ein Bleiberecht eröffnen.

Es ist nicht so, dass Wolfgang Schäuble (CDU) nicht empfänglich wäre für Kritik. Dass Kirchen, Grüne, Ausländervereine und viele Sozialorganisationen die gestern vom Kabinett verabschiedete Reform des Zuwanderungsrechtes zum Teil scharf angriffen, dafür habe er Verständnis, sagte der Innenminister. Solche Regelungen beinhalteten immer auch Vereinfachungen, die "dem Einzelfall nicht ganz gerecht" würden. Da aber die Kritik aus gegensätzlichen Richtungen komme, sei die jetzt gefundene Linie insgesamt wohl "gemeinschaftsverträglich". Das 400 Seiten dicke Gesetzespaket mit vielen Detailvorschriften beinhaltet unter anderem die Bleiberechtsregelung, die vor allem seitens der CSU umstritten war. Nun dürfen die bisher hier nur geduldeten Bürgerkriegsflüchtlinge und nicht anerkannte Asylanten bleiben, wenn sie bis Ende 2009 einen Job gefunden haben. 100 000 erfüllten die zeitlichen Voraussetzungen, sechs Jahre Aufenthalt bei Verheirateten, acht Jahre bei Ledigen, sagte Schäuble. Wie viele davon die Regelung in Anspruch nehmen können und werden ist offen. Gestern teilte die Sächsische Liga der Freien Wohlfahrtspflege mit, dass nach einer Umfrage unter ihren Beratungsstellen nur 89 Anträge gestellt worden seien. Die Regelung laufe ins Leere, weil sie zu restriktiv sei. Grünen-Chefin Claudia Roth fragte, was mit Kindern, Kranken und Alten geschehe, die nicht arbeiten können, und nannte das Gesetz insgesamt "inhuman und integrationsfeindlich". Zweiter wichtiger Punkt ist die Begrenzung des Ehegattennachzugs. Um Zwangsehen zu verhindern, muss der nachziehende Partner mindestens 18 Jahre alt sein und zudem über "einfache Deutschkenntnisse" verfügen. Das gilt aber nicht für Länder wie die USA, Japan, Kanada oder Südkorea. Schäuble begründete das damit, dass mit diesen Ländern Visaerleichterungen vereinbart seien. In einem gemeinsamen Brief nannten 21 Teilnehmer des von Angela Merkel ins Leben gerufenen jährlichen Integrationsgipfels, zumeist Vertreter von Ausländerorganisationen, die Deutsch-Pflicht verfassungswidrig. Auch kritisierten sie es als "Keule der Strafandrohung", wenn hier lebenden Ausländern das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent gekürzt werden soll, und sie sogar ausgewiesen können, falls sie ihrer Teilnahmepflicht an Integrationskursen nicht nachkommen. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sprach hingegen von einer "klaren Ansage" an die Ausländer, sich um gesellschaftliche Teilhabe zu bemühen. Etwas erleichtert werden die Zuzugsbedingungen für hoch Qualifizierte. Investoren, die sich in Deutschland niederlassen wollen, müssen nur noch 500 000 Euro anlegen und fünf Arbeitsplätze schaffen, eine Halbierung gegenüber dem alten Zustand.

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