Viel gemeinsam, aber nicht alles

BERLIN/TRIER. Wo sonst „große Politik“ gemacht wird, gibt sich die Kirche ein Stelldichein: Vom 28. Mai bis 1. Juni ist Berlin Schauplatz des Ökumenischen Kirchentages 2003. Doch viele Christen sind enttäuscht: Das gemeinsame Abendmahl bleibt vorerst noch frommes Wunschdenken.

„Ihr sollt ein Segen sein.“ Was? Verdutzt reiben sich viele Zeitgenossen beim Anblick der Plakate die Augen. Zugegeben, die Kirchentags-Werbung, die mit einer bundesweit renommierten PR-Agentur erarbeitet wurde, ist – verglichen mit den üblichen flotten Werbesprüchen – alles andere als leichte Kost. Doch die Verantwortlichen setzen auch auf die dazu gehörigen vier Bild-Motive, die Menschen in Alltags-Szenen zeigen. Die Botschaft der Kirchen: Ihr seid von Gott Gesegnete und sollt selbst segensreich wirken. Ob hingegen hinter den Kulissen des ökumenischen Kirchentages der theologische Haussegen schief hängt, darüber ist in jüngster Vergangenheit wiederholt spekuliert worden. Denn: Es bleibt dabei. Katholische und evangelische Christen werden auch in Berlin offiziell nicht gemeinsam zum Abendmahl gehen können. „Die Zeit ist noch nicht reif“, sagt der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Professor Hans Joachim Meyer. Die Unterschiede in der theologischen Lehre über die Sakramente und das kirchliche Amt sind noch zu groß. Der Chef der katholischen Laienorganisation, die gemeinsam mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag das Großtreffen ausrichtet, sieht sich damit in voller Übereinstimmung mit den katholischen Bischöfen. „Solange die ökumenischen Partner sich in Grundüberzeugungen widersprechen, ist die Einheit am Tisch des Herrn unwahrhaftig“, formulieren sie in einem gemeinsamen Hirtenwort, das in den Kirchen verlesen wurde. Nach katholischer Überzeugung können die Christen erst nach vollendeter Einheit der Kirchen gemeinsam zum Tisch des Herrn treten. Nein, die Abendmahl-Frage werde mit Blick auf den Kirchentag keineswegs unter den Teppich gekehrt, erklärt ZdK-Pressesprecher Theodor Bolzenius gegenüber unserer Zeitung. Sie werde sogar auf einigen Großveranstaltungen während des Kirchentages thematisiert. Für Katholiken und Protestanten habe sie einen viel zu hohen Stellenwert. Es sei sozusagen Geschäftsgrundlage des ökumenischen Kirchentages, dass beide Kirchen die konfessionellen Unterschiede respektierten. Jede Provokation würde zu einer weiteren Spaltung führen, meint Bolzenius. Die Deutsche Bischofskonferenz bringt es auf den Punkt: „Ökumenische Erfolge wird es nicht durch Abschleifung der Profile geben.“Die katholischen Reformgruppen „Wir sind Kirche“ und die „Initiative Kirche von unten“ können sich mit der Kritik der Bischöfe an ökumenischen Abendmahl-Gottesdiensten allerdings nicht anfreunden, üben begrenzten Ungehorsam. Die Feststellung, eine Teilnahme am Abendmahl einer anderen Konfession sei „unwahrhaftig“, missachtet nach Ansicht der Kritiker die „Gewissensentscheidung der Gläubigen“. Eucharistische Gastfreundschaft werde schon seit vielen Jahren bei Gottesdiensten in katholischen und evangelischen Gemeinden praktiziert, gibt Carl-Peter Klusmann, Sprecher des Arbeitskreises Ökumene der kirchenkritischen Gruppen, zu bedenken. Deshalb werde man drei ökumenische Gottesdienste feiern, wobei jeweils alle Gläubigen zum Abendmahl eingeladen seien. Den Reformgruppen sei aber nicht daran gelegen, den Streit mit der Amtskirche in der Abendmahl-Frage eskalieren zu lassen. Es bestehe nämlich die Gefahr, dass dadurch andere wichtige Themen des Kirchentages wie beispielsweise der drohende Krieg im Irak, die Bewahrung der Schöpfung oder die Globalisierung in den Hintergrund gedrängt werden. Die evangelische Kirche hat mit der eucharistischen Gastfreundschaft kein Problem: Es bleibt bei der Einladung an katholische Christen, heißt es in der Zentrale der Evangelischen Kirche Deutschlands in Düsseldorf. Allerdings: Niemand solle unter Druck gesetzt werden, verlautet aus der Kirchenleitung. „Wir halten fest am gemeinsamen Weg zum Abendmahl, im Respekt vor der Lehrauffassung der anderen Seite“, sagt Rüdiger Runge, Pressesprecher des Evangelischen Kirchentages. Es bleibt beim ökumenischen Hürdenlauf hinter den Kulissen. Die offiziellen Kirchenvertreter geben sich derweil alle Mühe, das Thema Abendmahl auf Sparflamme zu kochen. Sie befürchten, es könnte in Berlin mehr über das Trennende als das Gemeinsame zwischen den beiden großen Konfessionen geredet werden. Derweil arbeiten Katholiken und Protestanten mit Volldampf an der Vorbereitung des bundesweit ersten gemeinsamen Kirchentages. Mehr als 100 000 Gläubige werden erwartet. Das offizielle Programm sieht über 1000 Veranstaltungen vor. Die Eröffnung wird am Mittwoch, 28. Mai, 18 Uhr, vor dem Brandenburger Tor, der Abschlussgottesdienst am Sonntag, 1. Juni, 10 Uhr, vor dem Reichstag stattfinden. Auch das Bistum Trier wird sich beim Kirchentag präsentieren. Die Vorbereitungen seien im Gange, sagte Bistumssprecher Hans Casel. Bischof Reinhard Marx werde an zahlreichen Veranstaltungen teilnehmen. Man werde ein besonders Augenmerk auf den Kirchentag werfen, da die Diözese 2006 in Saarbrücken Gastgeber des Katholikentages sein wird.

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