Von der Vergangenheit eingeholt

Von unserem Redakteur BERND WIENTJES TRIER.Aids - trotz verbesserter Behandlungsmöglichkeiten hat die Immunschwäche nichts von ihrem Schrecken verloren. 21 Millionen Menschen sind bereits daran gestorben - einige auf besonders tragische Weise: Sie haben verseuchte Blutkonserven kommen.

PPSB - vier Buchstaben, die für Tausende von Patienten Anfang der80er-Jahre ein tödliches Risiko bedeuteten. Das aus Blut hergestellte Produkt wurde bei zahlreichen Operationen verabreicht, ohne dass es jedoch auf auf das Immunschwäche-Virus HI (Humanes Immundefizienz-Virus), das das unheilbare Aids auslösen kann, untersucht wurde. Knapp 2300 Menschen, darunter über 1800 Bluter, infizierten sich durch nicht untersuchte Blutprodukte mit dem Virus. Viele von ihnen starben in den Jahren darauf. Erst seit 1. Oktober 1985 darf keine Blutkonserve und kein daraus hergestelltes Produkt verwendet werden, wenn es nicht auf HIV untersucht und hoch erhitzt wurde. Die Gefahr, sich heute bei einer Bluttransfusion mit HIV zu infizieren ist angeblich gering, auf eine Million Blutübertragungen kommt statisch eine Infektion. Vier bis fünf Neuansteckungen durch Bluttransfusionen werden pro Jahr gezählt. Doch nicht nur HIV findet sich in den Blutkonserven, sondern auch Hepatitisviren. Wer vor 1991 eine Bluttransfusion bekommen habe, solle sich unbedingt auf Hepatitis C untersuchen lassen, warnte kürzlich die Ärztezeitung. Denn erst seit 1991 werden infizierte Blutspender ausgeschlossen. Ein Restrisiko bleibt also. Und aus diesem Grund empfahl der Münchener Medizinrechtler Klaus Ulsenheim vor zwei Jahren, dass Ärzte auch auf seltene Behandlungsrisiken wie etwa HIV- oder Hepatitis-Infektionen bei Bluttransfusionen hinweisen müssen. Genau das geschah wohl aber nicht vor 19 Jahren in dem damaligen Kreis-Krankenhaus, das ab 1987 in die Trägerschaft der ctt-Vorgängergesellschaft DGAR und später in die der ctt überging. Der 15-Jährige, der am 29. Juni 1985 nach einem Mopedunfall mit einem zertrümmerten Bein in die Klinik eingeliefert wurde, erhielt während seines fast ununterbrochenen zweijährigen Aufenthaltes insgesamt 28 Bluttransfusionen. Doch weder er noch seine Eltern wurden nach Auffassung der Richter am Koblenzer Oberlandesgericht auf eine mögliche HIV-Infektion etwa durch das Blutprodukt PPSB hingewiesen. Die Richter sind überzeugt, dass er im Krankenhaus infiziert wurde. Und das, obwohl bereits damals die Gefahr bekannt war. Im Herbst 1986 wurden dem Bundesgesundheitsamt drei Fälle von HIV-Infektionen durch PPSB gemeldet. Knapp zehn Jahre später, 1995, richtete die Bundesregierung die Stiftung "Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen" ein. 250 Millionen Mark haben Bund, Länder, die Pharma-Industrie und das Deutsche Rote Kreuz für die Opfer und ihre Angehörigen damals zur Verfügung gestellt. Unter ihnen auch der heute 34-Jährige und seine ebenfalls infizierte Frau. Seit 1998 erhalten sie monatlich eine Rente von jeweils 766 Euro von der Stiftung.

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