"Was, bitteschön, ist Tritium?"

TRIER. Heiße Diskussion um strahlende Einleitungen in die Mosel: Auf Einladung des Umweltministeriums stellten sich die Betreiber des Kernkraftwerks Cattenom den Fragen von Politikern und Verbänden. Anwesend war auch die vom Verwaltungsgericht Straßburg bestellte drei-köpfige Enquête-Kommission, die die Einwände der Öffentlichkeit sammelt.

"Wir leiten so wenig wie möglich in die Mosel ein" - fast schon beschwörend klang das im Laufe des Abends etliche Male wiederholte Credo der Betreiber des Atomkraftwerks Cattenom. Dass das nicht stimme, mutmaßten die Vertreter von Umweltverbänden: Sie warfen der Delegation der Eléctricité de France (EDF) unzulässige Vergleiche zwischen theoretischen Grenzwerten, die gesenkt werden sollen und realen Emissionen, die ansteigen, vor.So ganz verstanden die meisten der rund 80 Besucher im Robert-Schumann-Haus nicht, warum Cattenom überhaupt radioaktive Stoffe in die Mosel ableiten muss. "Eine hundertprozentige Reinigung der Abwässer ist nicht möglich", erklärte Philippe Gaestel, Direktor des Kraftwerks. "Wenn wir Einleitungen vermeiden könnten, würden wir das tun."Mit technischen Details versuchten die Vertreter der EDF, die Besucher zu überzeugen. Die komplizierten Erläuterungen sahen einige als Ablenkungsmanöver. "Es erschreckt mich, wie Sie von uns erwarten, komplexe Zusammenhänge zu verstehen, dann aber nicht in der Lage sind, einfache Fragen zu beantworten", kritisierte Heide Weidemann, Landesvorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.Im Juni kommenden Jahres müssen die Emissionen des Kraftwerks Cattenom neu genehmigt werden. Fast alle Grenzwerte sollen massiv gesenkt werden. Für Streit sorgt aber die ab 2006 beantragte höhere Einleitung des radioaktiven Wasserstoff-Isotops Tritium in die Mosel. Die radioaktiven Wasser-Moleküle lassen sich nach Angaben der Kraftwerksbetreiber nicht von normalem Wasser trennen.Notwendig sei der um etwa 25 Prozent höhere Grenzwert, weil das Kraftwerk auf stärker angereicherte Brennelemente umgestellt werden solle, erklärte Gaestel. Sie müssten seltener ausgetauscht werden. Für die Umwelt sei das vorteilhaft, die meisten Emissionen entstünden bei der Wartung.Ein nicht radioaktiver Stoff macht Landrat Richard Groß Sorgen: 8,3 Kilogramm des krebserregenden Hydrazins musste die Mosel im Jahr 2000 schlucken, als Grenzwert beantragen die Kraftwerksbetreiber aber 290 Kilo pro Jahr. "Der Grenzwert könnte in gewissen betriebsbedingten Situationen notwendig sein", erklärte Gaestel. Noch gebe es keine Lösung, um das Hydrazin abzufangen."Ist die Abwasserreinigung in Cattenom auf dem Stand der Technik?", wollte ein Zuhörer von Gaestel wissen. "Es gibt Kernkraftwerke, die besser, und welche, die schlechter ausgerüstet sind", erklärte der Direktor. Die derzeitigen Techniken seien optimal. Gaestel: "Wenn sie maximal reinigen, wird die Radioaktivität hoch konzentriert." Diese Feststoffe müssten dann aufwändig entsorgt werden.

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