Wer darf die Verfassung hüten?

MAINZ/KOBLENZ. Die Wächter der Grundrechte müssen über sich selbst zu Rate sitzen. Weil ein abgewiesener Beschwerdeführer die korrekte Zusammensetzung des höchsten Gerichts im Land anzweifelt, überprüft der Verfassungsgerichtshof die Gesetze in eigener Sache.

Sie urteilen über die Gültigkeit des Landespersonalvertretungsgesetzes, über die Verfassungsmäßigkeit der Kampfhundeverordnung oder den umstrittenen Einsatz staatlicher Gelder der Landtagsfraktionen für Öffentlichkeitsarbeit: Die neun Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes (VGH) Rheinland-Pfalz sind nur bei Bedarf und im Nebenamt zur Stelle, wenn es um die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit der Landesverfassung, einen Streit zwischen den Verfassungsorganen Landtag und Regierung oder um Beschwerden einzelner Bürger geht, die sich in ihren Grundrechten verletzt sehen. Der Protest eines abgewiesenen Beschwerdeführers wirft nun die Frage auf, ob auch Kommunalbeamte, speziell eine Landrätin, dem VGH angehören dürfen.Zum Hintergrund: Zweimal war bereits ein Andernacher bei Gerichten mit seinem Antrag auf Prozesskostenhilfe abgeblitzt, bevor dann auch noch der von ihm angerufene VGH an der versagten Hilfe nichts auszusetzen hatte. Dies hatte jedoch dann um so mehr der erboste Bürger am VGH. Weil dort die Bad Dürkheimer Landrätin Sabine Röhl als vom Landtag gewähltes Mitglied in seinem Fall mit entschied, sieht er die Gewaltenteilung verletzt. Röhl dürfe als Teil der Exekutive, also von Regierung oder Verwaltung, nicht auch VGH-Richterin sein, so sein Argument.Abgeordnete und Minister werden keine Richter

Laut Artikel 134 der Landesverfassung gehören dem Gerichtshof neben dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts (OVG) drei weitere Berufsrichter sowie fünf Mitglieder an, die nicht über die Befähigung zum Richteramt verfügen müssen. Mit Ausnahme des OVG-Präsidenten, der automatisch auch Präsident des Verfassungsgerichtshofes ist, werden die Mitglieder aus einer Vorschlagsliste vom Landtag gewählt. Nur Landtagsabgeordnete und Regierungsmitglieder dürfen dem Gericht nicht angehören. Dass fünf von neun VGH-Mitglieder laut Verfassung nicht Berufsrichter sind, ist nach Angaben einer Sprecherin des Gerichtshofes auch auf das Misstrauen nach Krieg und NS-Zeit gegenüber der Richterschaft zurückzuführen.Am 2. Dezember wollen die Koblenzer Verfassungsrichter beraten, ob die Kritik des bisher abgeblitzten Bürgers begründet ist. Landrätin Sabine Röhl und eine weitere Kommunalbeamtin unter den VGH-Richtern, die Verwaltungsdirektorin Andrea Kleinmann aus dem Rhein-Lahn-Kreis, werden bei den Beratungen wohl außen vor bleiben.Landtag und Justizministerium haben bereits mitgeteilt, dass sie die Richterauswahl für verfassungsgemäß halten. Die Zusammensetzung garantiere breiten Sachverstand bei Entscheidungen, sagt ein Sprecher des Parlaments. Der VGH ist demnach mit einem normalen Gericht nicht zu vergleichen und kann auch kommunale Wahlbeamte wie Landräte in seinen Reihen haben. Entscheidend ist nach seinen Angaben, dass keine Mitglieder von Regierung oder Parlament im VGH sitzen und dann möglicherweise über die eigenen Gesetze urteilen. Justizminister Herbert Mertin (FDP) sieht ebenfalls keinen Verstoß gegen die Gewaltenteilung. Wenn andere Bundesländer Beamte grundsätzlich vom Amt des Verfassungsrichters ausschlössen, sei das Ausdruck des Föderalismus, nicht jedoch auf zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben zu begründen. Am Vertrauen in Neutralität und Unabhängigkeit des VGH sei nicht zu rütteln.

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