Zwei Millionen streunende Katzen in Deutschland - "Die sollen Mäuse jagen"

Trier/Prüm/Hermeskeil · Schon seit Jahren fordern Tierheime, Tierschützer und -ärzte sowie Jäger eine Kastrationspflicht für Katzen. Nun gibt es sogar eine Landesverordnung, die es Gemeinden ermöglicht, diese einzuführen. Zwar denken einzelne Kommunen darüber nach. Doch passiert ist wenig. Wohl, weil niemand weiß, wie man die Einhaltung kontrollieren soll.

Trier/Prüm/Hermeskeil. Zitternd sitzt ein grau getigertes Katzenbaby im Rinnstein. Seine eitrigen Augen sind so verklebt, dass es sie nicht mehr öffnen kann. Ob dieses Kätzchen die Nacht überlebt, scheint niemanden zu interessieren. Es sind ja schließlich genügend andere Katzen zum Mäusejagen da, die ständig neue Junge bekommen.

Szenen wie diese hat Anke Zimmer vom Förderverein des Eifeltierheims in Altrich (Kreis Bernkastel-Wittlich) schon viele gesehen. "Das Problem ist nicht zu übersehen, aber niemand fühlt sich verantwortlich", sagt die Tierschützerin, deren Verein versucht, das Elend der Katzen in der Eifel einzudämmen. Und das geht nur auf einem Weg: Die Tiere müssen kastriert werden, damit sie sich nicht unkontrolliert vermehren. Jede Katze kann zwei Mal jährlich zwischen vier und sechs Junge bekommen.

Zwei Millionen herrenlose Katzen leben dem deutschen Tierschutzbund zufolge in Deutschland - viele von ihnen leiden an Unterernährung und Krankheiten wie Katzenschnupfen, Leukose oder Katzenaids. Daher hat die Bundesregierung die Landesregierungen mit Paragraf 13 b des Tierschutzgesetzes 2013 ermächtigt, Gebiete festzulegen, in denen Katzen nur noch dann frei laufen dürfen, wenn sie kastriert und gekennzeichnet sind. Zusätzlich sollen herrenlose Katzen wie bisher eingefangen, kastriert und anschließend wieder an der gleichen Stelle ausgesetzt und dort gefüttert werden. Wer für diese Aufgabe zuständig ist, erklärt der aktuelle Tierschutzbericht der Bundesregierung allerdings nicht. In der Praxis würde ohne Tierschutzvereine wenig passieren.Stadt Trier gewährt Zuschüsse


"Die Kommunen machen nichts", sagt Zimmer. In Rheinland-Pfalz haben Verbandsgemeinden und Städte dank einer neuen Landesverordnung seit Juli die Möglichkeit, eine Kastrationspflicht einzuführen. Geschehen ist dies allerdings erst in sehr wenigen rheinland-pfälzischen Orten. In Trier hatten die Freunde herrenloser Katzen 2012 einen Antrag auf Einführung einer Kastrationspflicht gestellt. Seitdem gewährt die Stadt Zuschüsse - eine Pflicht führte sie jedoch nicht ein. In der Verbandsgemeinde Thalfang am Erbeskopf wird erörtert, ob man Gebiete ausweisen will, in denen unkastrierte Katzen Stubenarrest haben.

In den meisten Orten jedoch ist all das kein Thema. "Wir erlassen keine Verordnungen, die wir nicht durchsetzen können", sagt Peter Hillen, Leiter der Bürgerdienste bei der Verbandsgemeindeverwaltung Prüm. Denn: "Wie soll man das kontrollieren?" Die Leiterin des Trierer Tierheims, Anna Jutz, geht davon aus, dass die Kommunen auch die Ausgaben scheuen, die mit der Kastration herrenloser Katzen womöglich auf sie zukämen.

Auch die Stadtverwaltung Paderborn räumt ein, dass die Kontrolle ein Problem ist. Paderborn war 2008 die bundesweit erste Kommune, die eine Kastrationspflicht einführte. Die Verwaltung wird vor allem dann tätig, wenn sie Hinweise bekommt. "Dann schreiben wir den Tierhaltern und drohen Maßnahmen an", sagt ein Verwaltungssprecher.
Tierschützer feiern das Paderborner Modell als Erfolg. Die Bundestierärztekammer und der deutsche Jagdverband wünschen sich, dass dieses Modell deutschlandweit eingeführt wird. Schon seit Jahren fordert das stets überfüllte Eifeltierheim die Kommunen der Region auf, tätig zu werden und bietet seine Unterstützung an. Geändert hat das wenig.

Anke Zimmer wünscht sich eine Handhabe, um den Unbelehrbaren, die ihre Bauernhof-Katzen immer noch halten wie vor 100 Jahren, anders begegnen zu können. "Es würde uns helfen, wenn wir sagen könnten: Ihr müsst kastrieren. Das ist eine Pflicht." Denn gute Argumente helfen nur bedingt. Dabei gibt es die durchaus. "Nur eine gesunde Katze kann auch Mäuse fangen", sagt Zimmer. Es gebe weniger Prügeleien, weniger Verletzungen, und kastrierte Kater hätten einen deutlich kleineren Aktionsradius. Das heißt: Sie bleiben da, wo ihre Jagdkünste benötigt werden.Meinung

Die Pflicht ist überfällig
Wer ein Tier hält, sollte dazu verpflichtet sein, sich ordentlich um dieses Tier zu kümmern - nicht nur moralisch, sondern auch gesetzlich. Und dazu gehört viel mehr, als ab und an mal eine Schale Futter rauszustellen. Leider sind Kolonien kranker Katzen, die zum Mäusefangen gehalten werden ("das war doch schon immer so") vielerorts nach wie vor normal. Das ist nicht tolerabel. Kommunen sollten endlich ihre Möglichkeiten nutzen und eine Kastrationspflicht einführen. Und sei es nur, um den Tierschutzvereinen die Arbeit zu erleichtern und den Katzenbesitzern vor Augen zu führen, dass ihr Verhalten nicht akzeptabel ist. Beschränkt die Kommune sich darauf, aktiv zu werden, wenn es konkrete Hinweise gibt, dann hält sich auch der Aufwand in Grenzen. k.demos@volksfreund.deExtra

Vom 18. bis 30. Januar 2016 bieten die Tierschutzvereine der Region in Zusammenarbeit mit etwa 30 Tierärzten Kastrationswochen an. Da viele Katzenbesitzer sich die Eingriffe nicht leisten können, zahlen die Vereine mit Unterstützung des Landes denen, die ihr Tier in diesen beiden Wochen kastrieren lassen, Zuschüsse. Um diese zu erhalten, muss man die vom Tierarzt ausgestellte Bescheinigung beim Verein vorlegen. Weitere Infos gibt es auf den Internetseiten der Tierheime in Trier und Altrich, des Vereins Tierhilfe Eifelkreis oder der Freunde herrenloser Katzen. Mos

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