"Das soziale Netz funktioniert nicht"

KONZ. Sprayer-Attacken und mutwillige Beschädigungen haben in den letzten Jahren rasant zugenommen. Wir sprachen mit Karl Grundhöfer über Ursachen und mögliche Gegenmaßnahmen

Herr Grundhöfer, als Rektor der Hauptschule in Konz stehen Sie auch in der Jugendarbeit ganz vorn. Welche Entwicklungen bei Vandalismus und Gewalt beobachten Sie? Tendenz steigend?Grundhöfer: Wir beobachten an unserer Schule schon eine steigende Tendenz. Dinge, die neu angeschafft wurden, werden von den Schülern wenig gewürdigt. Eine neue Einrichtung unseres Physiksaals wurde beispielsweise schon in der zweiten Unterrichtsstunde bemalt - wir haben Gott sei Dank die Täter entdeckt. Die Schüler hinterlassen an allen möglichen und unmöglichen Stellen ihre "Takes", das sind Buchstaben oder sonstige Zeichen. Es wird wenig Rücksicht darauf genommen, um welche Gegenstände es sich handelt. Die Schüler setzen ihre optischen "Duftmarken". Gibt es neuerdings besondere Formen dieser Beschädigungswut?Grundhöfer: Die erwähnten Takes machen uns die meisten Sorgen. An Zerstörungen gibt es keine prägnante Steigerung gegenüber früheren Jahren. Gelegentlich geht etwas kaputt, aber doch eher unabsichtlich. Eine deutliche Steigerung mutwilliger Beschädigungen ist nicht festzustellen. Sie stehen im Gespräch mit Eltern und Kräften der Jugendarbeit. Welche Ursachen für Bemalung und Beschädigung sind erkennbar?Grundhöfer: Ich vermute sehr stark, dass das soziale Netz der intakten Familien nicht mehr funktioniert. Wir haben sehr viel mehr allein erziehende Eltern; deren Kinder sind sich nachmittags großenteils allein überlassen und suchen natürlich Anschluss bei Gleichaltrigen. So bilden sich Cliquen, um nicht zu sagen Jugendbanden - die Kinder nennen sie Gangs. Zwischen den verschiedenen Gruppen entwickeln sich Rivalitäten, weil jede Gang auch ihr Revier absteckt, und die Reviere werden markiert. Daraus resultieren diese Takes. Was können Staat, Schule und Jugendarbeit dagegen ausrichten?Grundhöfer: Eine durchgehende Kontrolle ist nicht möglich. Ich denke, Aufklärung und erzieherisches Einwirken tun Not, insbesondere sehe ich das von Seiten der Eltern als notwendig an. Wir stellen immer wieder fest, dass Eltern total überrascht sind, wenn wir Jugendliche bei der Beschädigung von Einrichtungen ertappt haben und dann Regressansprüche stellen. Wir können nur versuchen, die Kinder sensibel zu machen dafür, dass die Dinge, die sie beschädigen oder verunzieren, eigentlich für sie persönlich angeschafft wurden und ihnen auch mit gehören. Was können die Eltern tun?Grundhöfer: Ich denke, dass Eltern, aber auch alle anderen Bürger, sensibler für Handlungen und Ereignisse werden sollten, und wenn ihnen etwas auffällt, sollten sie sich nicht abwenden aus Angst vor Unannehmlichkeiten oder nur einer dummen Bemerkung. Es gibt die Tendenz, sich über das Verhalten der Jugendlichen aufzuregen, aber sich aus Furcht vor Bedrohungen oder Beschimpfungen oder aus Bequemlichkeit nicht einzumischen. An diesem Punkt sind alle gefordert. Also: Augen auf und mehr Zivilcourage!Grundhöfer: Ja, so kann man das sagen. * Die Fragen stellte unser Redakteur Martin Möller.

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