Der Tag, an dem der Schrecken kam

NAURATH. (ae) Vor 300 Jahren am 13. Juli, dem Margaretentag, verwüstete ein Unwetter den kleinen Ort Naurath in der Eifel. Seither unternehmen die Einwohner Nauraths im Gedenken an diesen "Schreckenstag" jedes Jahr am nächstliegenden Samstag eine Wallfahrt nach Klausen.

 Küster Edmund Schönhofen (rechts) und Helmut Schröder in der Marienkapelle vor der Kerze, die in diesem Jahr erstmals die Gedenk-Wallfahrt zum "Schreckenstag" begleitet.Foto: Anke Emmerling

Küster Edmund Schönhofen (rechts) und Helmut Schröder in der Marienkapelle vor der Kerze, die in diesem Jahr erstmals die Gedenk-Wallfahrt zum "Schreckenstag" begleitet.Foto: Anke Emmerling

"Eine unheimliche Stille lag auf Dorf und Flur. Hinter dem Steineberg kamen die Wolken dunkel hervor (...) kriechende Ungeheuer am Himmel." So hat Matthias Lang, der bis 1951 Dorfschullehrer in Naurath war, den Beginn eines Unheils beschrieben, das vor etwa 300 Jahren den kleinen Ort heimgesucht haben soll. Mit "schreckgeweiteten Augen" hätten die Einwohner damals gesehen, dass sich nicht nur über dem Steine-, sondern auch über Hirz- und Ameisenberg etwas zusammenbraute: "Wenn das nur gut geht", habe die wetterkundige Kräuterlies aus der Hintergasse gesagt. Und dann sei es passiert: Zwei Gewitter seien zusammengestoßen und hätten sich mit schrecklicher Gewalt über Naurath entladen. Aus welchen Quellen Lang schöpft, ist nicht bekannt. Das Szenario, das er entwirft, ist dafür umso dramatischer. Mit blumigen Worten schildert er die Angst der Menschen, als sie ansehen mussten, wie Wassermassen, Hagel und Erdrutsche am Rosenberg ihre Ernte vernichteten. Wie der Blitz in ein Hausdach einschlug und Sturm aufkam: "In wilden Sätzen brauste er heran. (...) Mit starken Armen umspannte er die auflodernden Flammen und trug sie hohnlachend weiter von Dach zu Dach." Wie schließlich die Häuser verloren gewesen seien und ihre Bewohner nur noch verzweifelt versucht hätten, Vieh und Habseligkeiten zu retten. Ob es sich genau so zugetragen hat, weiß heute niemand mehr. Dass es aber vor dreihundert Jahren diese Naturkatastrophe gegeben haben muss, dafür spricht nicht nur die immer noch lebendige Überlieferung. "Bei der Dorferneuerung Anfang der 1990er-Jahre haben wir unter der Brücke im Reinsbach Stämme und einen Grabstein aus der Zeit gefunden", sagt Helmut Schröder, der damals Ortsbürgermeister war. Und es gibt einen Brauch, der direkt nach dem Unwetter entstanden sein soll, als Dorfschulze Adam die Menschen zusammenrief, um Gott zu danken, dass sie alle überlebt hatten. "Er hat damals mit den Naurathern gelobt, jedes Jahr am Margaretentag nach Klausen zu pilgern, um die Muttergottes um Schutz zu bitten", erzählt der heutige Küster Edmund Schönhofen."Das war der Muttergottes wohl zu wenig"

Seither sei es Tradition, dass aus jedem Haushalt im Dorf wenigstens ein Erwachsener mitpilgere. "Bis in die 50er-Jahre sind die meisten den zweieinhalbstündigen Weg hin und zurück zu Fuß gegangen, manche sogar barfuß", berichtet Schröder, für den die Wallfahrt selbstverständlicher Teil seiner Kindheit war. Einmal, 1920, seien nur zwei Leute mitgegangen, weiß Edmund Schönhofen. "Das war der Muttergottes wohl zu wenig." Prompt habe es am gleichen Tag ein Unwetter gegeben. Heute sind es meist 60 bis 70 Teilnehmer, darunter ehemalige Naurather, die, je nach Kondition, laufen oder mit dem bereitgestellten Bus nach Klausen zur Messe fahren. Berufstätigen zuliebe wurde die Wallfahrt auf den dem Margaretentag nächstliegenden Samstag verlegt, auch wird seit einigen Jahren im Anschluss die Sommerkirmes gefeiert. In diesem Jahr bricht die Pilgergruppe, erstmals mit Kerze, am 15. Juli um 6.30 Uhr an der Naurather Kirche auf (Bus um 9 Uhr). Nach der Rückkehr gibt es ein Pilgeressen und ein buntes Festprogramm bis einschließlich Montag.

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