Eygenartige Musiker

HOLZERATH. Rolph Becker und Eva Meiers sind Bewahrer von Liedgut aus zwölf Jahrhunderten. Während Eva eine Spätberufene in Sachen Gesang ist, bereiste Rolph in der Tradition fahrender Sänger und Spielleute Deutschland und die angrenzenden Länder.

"In Rolphs Familie habe ich zum ersten Mal erlebt, was es bedeutet, wenn Hausmusik gemacht wird", sagt Eva Meiers alias Helene von Holzerode. Wunderbare Stimmen kamen ihr damals zu Gehör. Erst war die gebürtige Gerolsteinerin zu gehemmt, um mitzusingen. "Ich habe anfangs nur gepiepst." Heute muss Rolph Becker alias Jan Rolph von Heidweiler auf der Hut sein, "dass mich meine Lebensgefährtin nicht übertönt". Während die 49-Jährige durch den Groß- und Außenhandelskaufmann, der in den 80er-Jahren Straßenmusik in Trier machte, zum Singen kam, wurde Rolph Becker die Musikalität in die Wiege gelegt. Seit drei Jahren ist der 51-Jährige freischaffender Musiker. Alleine und gemeinsam mit Helene von Holzerode singt er Liedgut aus zwölf Jahrhunderten, begleitet von Flöte, Schellenring und Trommel. Die Lieder in Althoch-, Mittelhoch- und Hochdeutsch, Stücke in Jenisch, Moselfränkisch, Französisch und Italienisch faszinieren die beiden, die in einem genau 100 Jahre alten Haus in Holzerath leben. "Es sind die Melodien, die in diesen Liedern noch existieren und in den Stücken aus dem Radio heute gänzlich fehlen", sagt Eva Meiers. Die Musik fessele Kinder und Alte gleichermaßen. "Wenn ein Jugendlicher kommt und sagt, ,eigentlich stehe ich ja auf Hip-Hop, aber eure Musik ist echt geil', dann geht das runter wie Öl", sagt der weibliche Part von "Eygenart". Und: Wenn Senioren mit von Traurigkeit gesenkten Köpfen in den Reihen sitzen und die Musik beginnt, "kommen die ersten Köpfe hoch, die Augen beginnen zu strahlen. Dann geht die Sonne auf." Historische Kostüme gehören dazu

Helene und Jan Rolph treten auf Festen aller Art, Empfängen, in sozialen Einrichtungen und in der Tufa unter dem Namen "Eygenart" in historischen Kostümen auf. Eva greift entweder selbst zu Stoff und Nadel oder stöbert in Fundusverkäufen des Theaters. Das Outfit ist bunt zusammengewürfelt, entsprechend dem, was die Spielleute früher getragen haben. Was hat die "eygenartigen" Musiker nach Holzerath verschlagen? "Das Haus passt 100-prozentig", sagt Helene. Und: Die Eltern von Rolph Becker haben vor Jahrzehnten schon Holzerather Luft geschnuppert. Sie machten die Hochzeitsreise, dem Geldbeutel entsprechend, zu Fuß dorthin. Um noch ein paar Tage bleiben zu können, hat der Vater, der Mundartmusik und -gedichte schrieb, damals einigen Leuten im Dorf die Haare geschnitten. Er war ein Künstler - und Installateur.

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