In einem ständigen Wettlauf mit den Drogenköchen

Saarburg/Konz/Wittlich · Schaum vor dem Mund, Kreislaufkollaps, Herzstillstand: Legal Highs wie Kräutermischungen, die im Internet als vermeintlich legitime Alternativen zu Cannabis und Amphetaminen verkauft werden, bergen unkalkulierbare Risiken für die Gesundheit. Mit derzeit 50 laufenden Ermittlungsverfahren sind die wirkungsmächtigen Drogen auch in der Region Trier auf dem Vormarsch.

Saarburg/Konz/Wittlich. "Er hatte Schaum vor dem Mund und stammelte vor sich hin", so erinnert sich Staatsanwalt Benjamin Gehlen an den 17-Jährigen, den er im Mai 2014 am Bahnhof in Saarburg zwischen den Fahrradständern liegen sah. Gehlen veranlasste, dass Zeugen den Notruf wählten. Ein Rettungshubschrauber beförderte den Jungen in ein Trie rer Krankenhaus. Dort stellten die Ärzte fest, dass der 17-Jährige einen Joint mit Kräutermischungen, sogenannten "Legal Highs", geraucht hatte. "Nur durch eine intensivmedizinische Behandlung konnte er am Leben gehalten werden", sagt Gehlen.

Tarnung als Badesalz



Die Legal Highs, die in Online-Shops hauptsächlich als Kräutermischungen und Badesalze verkauft werden, hätten in der Region Trier schon 40 Jugendliche ins Krankenhaus gebracht, sagt Kriminalhauptkommissar Elmar Esseln. Doch nicht jeder betroffene Patient gebe den Gebrauch der Substanzen zu. Wie die Suchtberatungen aus der Region vermelden, sind die Konsumenten der neuen Drogen zumeist im Alter zwischen 16 und 20 Jahren. Deshalb informierten Mediziner, Staatsanwaltschaft und Polizei die Lehrer der weiterführenden Schulen über die Gefahren der Substanzen.

Das sagt die Medizinerin:
Silvia Aust vom polizeiärztlichen Dienst in Wittlich hält Kräutermischungen für extrem gefährlich, "weil sie in ihren bunten Tütchen so einen harmlosen Eindruck machen". Doch der Konsument wisse nie, welche Wirkstoffe in welcher Dosierung in den Päckchen enthalten seien. Deshalb seien Wirkung als auch Nebenwirkungen von Herzrasen über Unruhe bis hin zu Aggressivität und Psychosen unkalkulierbar, sagt Aust. In Deutschland seien bereits mehrere Todesfälle auf den Konsum der Kräutermischungen zurückzuführen.

Das sagt der Staatsanwalt:
Seit 2008 sei der Konsum der Kräutermischungen auch in der Region Trier rasant angestiegen, sagt Gehlen. Solange die enthaltenen Substanzen noch nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt sind, bleiben Erwerb, Besitz und Konsum jedoch straffrei. Erst im Dezember 2014 seien 32 bis dato legale Substanzen, die in früheren Legal Highs enthalten waren, im Betäubungsmittelgesetz aufgenommen worden. Doch für die Chemiker der Drogenlabore sei es kein Problem, im Handumdrehen eine neue Variation der in den Kräutermischungen enthaltenen synthetischen Cannabinoide herzustellen, die dann wieder als legales Produkt in den Handel gelangen, sagt Gehlen. Somit befände sich der Gesetzgeber im ständigen Wettlauf mit den Drogenküchen.
Was viele Konsumenten jedoch nicht wissen: Die Polizei ermittelt auch bei den vermeintlich legalen Kräutermischungen. "Es gibt eine Vernehmung, Durchsuchungen und Blutproben", sagt Gehlen. Die Kräutermischung werde selbst bei Kleinstmengen beschlagnahmt und kriminaltechnisch untersucht, um den enthaltenen Wirkstoff zu identifizieren. Wenn dieser nicht unter das Betäubungsmittelgesetz falle, so Gehlen, müsse man das Verfahren allerdings einstellen.

Das sagt die Suchtberatung:
Siegolf Lützig, ehrenamtlicher Gruppenleiter der Jugendsuchthilfe in Wittlich, hat täglich mit Jugendlichen zu tun, die sich mit Kräutermischungen oder kristallinen Badesalzen als Amphetaminersatz zudröhnen. "Die machen das, weil die Substanzen im Gegensatz zu echtem Cannabis bei Blut- und Urintests kaum nachweisbar sind", sagt Lützig. Junge Menschen, die wegen ihres Drogenkonsums den Führerschein verloren haben und regelmäßig zum Drogenscreening müssen, sehen in den Legal Highs einen Weg, die Gesetzeshüter auszutricksen.

Das sagt die Cannabislobby:
Die mit künstlichen Cannabinoiden bedampften Kräutermischungen sind für den Großteil der Konsumenten ein Ersatz für das in Deutschland verbotene Marihuana und Hasch aus der Hanfpflanze. Doch aus den Vorträgen der Experten wird deutlich, dass die legalen Substitute bei weitem gefährlicher sind als das verbotene Original. Die Polizei kann jedoch schlecht sagen: "Lassen Sie das mit den Kräutermischungen, kiffen Sie lieber." Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands, der Lobbyarbeit für die Legalisierung von Cannabis leistet, übernimmt diese Rolle jedoch gerne: "Cannabis ist ebenso wie das Genussmittel Alkohol nicht harmlos. Aber der Anteil der Leute, die damit Probleme haben, ist im Vergleich zu den Kräutermischungen verschwindend gering." Deswegen plädiert er für die Legalisierung von Cannabis. Denn: "Das Verbot von Cannabis ist ein Grund dafür, dass so ein brandgefährliches Zeug wie Kräutermischungen Verbreitung findet."Meinung

Drogenpolitik ad absurdum geführt
Willkommen in der Zukunft! Die Regierung verbietet Cannabis - Drogenlabore produzieren synthetische Cannabinoide, die mit ihrer neuartigen chemischen Formel nicht unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fallen, und verkaufen das Zeug legal. Bis die gefährlichen Neuschöpfungen eines Tages wieder verboten werden. Doch das kann noch dauern und stört die Drogenköche nicht. Denn sie müssen im Reagenzglas nur ein Molekül des künstlichen Cannabinoids verändern und schon verlässt wieder eine neue und legale Droge das Labor. Bei diesem Katz- und Mausspiel hinkt der Gesetzgeber stets hinterher. Das Betäubungsmittelgesetz in seiner jetzigen Form ist also bei Legal Highs vollkommen wirkungslos und das Cannabisverbot in gewisser Weise auch noch gefährlich. Denn es ruft findige Geschäftemacher auf den Markt, die den gemeinen Kiffer, von dem es - unter uns gesagt- in Deutschland mehrere Millionen geben soll, mit ihren unkalkulierbaren Chemiecocktails zum Versuchskaninchen machen - ganz legal. mosel@volksfreund.deExtra

Tod nach Überdosis: Welche Drogenersatzstoffe der 20-Jährige aus der Verbandsgemeinde Saarburg konsumiert hat, der vor anderthalb Wochen tot in der Wohnung eines Bekannten in Konz gefunden worden ist, steht laut Polizei noch nicht fest. Die Polizei verweist in dem Fall auf ein toxikologisches Gutachten, das noch nicht abgeschlossen worden ist. Der Tote soll zuvor zusammen mit einem Bekannten Drogenersatzstoffe im benachbarten Ausland gekauft und sie später zu sich genommen haben. Als Drogenerstatzstoffe werden neben den gefährlichen Kräutermischungen auch Mittel wie Methadon bezeichnet, die bei der Suchttherapie eingesetzt werden, um Entzugserscheinungen zu mildern. Der Konsum solcher Stoffe kann bei zu hoher Dosierung tödlich sein. cmk

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