Kampf gegen den Zeitgeist

LONGUICH. Das Wein-Kulturgut Longen-Schlöder hält, was der Name verspricht. Das weiß man auch beim Südwestrundfunk in Mainz. Für die Auftaktveranstaltung der diesjährigen SWR4-Mundart-Tournee "Mussik, Sproch un Wein" hätte es kaum einen geeigneteren Rahmen geben können als die Vinothek des Wein-Kulturgutes.

Worum es bei der SWR4-Mundart-Tournee geht, beschreibt Bianca von der Weiden, zuständig für die Mainzer Hörfunkpressestelle, so: "Hektik und Globalisierung gehen heutzutage einher mit einer von maßloser Denglisch-Sucht infizierten Umgangssprache."Derweil sei bei immer mehr Menschen eine immer deutlichere Rückbesinnung auf Heimatliebe und Muttersprache zu erkennen. Dabei wolle allerdings niemand wieder in melancholische Gefühls- und Heimattümelei verfallen.Vielmehr habe man erkannt, dass nichts besser die Alltagswirklichkeit zu schildern und treffender auf den Punkt zu bringen vermag als die Mundart. Zumal, wenn sie in ihren reichen Schattierungen, frech und unbekümmert, kritisch und natürlich, besinnlich oder hochpolitisch, daher komme.Diese Attribute trafen auf die Protagonisten des Abends, Traudel Kern, im badischen Ettlingen lebende Südpfälzerin, und Peter Friesenhahn aus Pünderich an der Mosel, zu. Die beiden Künstler beherrschen die gesamte Palette dessen, was mit Mundart zu sagen oder zu besingen ist.Traudel Kern und Peter Friesenhahn deshalb als "Liedermacher" oder "Mundartsänger" einzuordnen, wäre indes sicher falsch. Sie sind auch kein Duo sondern Individualisten. Dennoch ist ihr künstlerisches Anliegen weitgehend das Gleiche. Vor allem dem Zeitgeist haben sie den Kampf angesagt, ihn nehmen sie aufs Korn.Dabei ziehen sie alle Register - stets anspruchsvoll, aber nie abgehoben intellektuell. Traudel Kern besorgt das mit "Pälzer"-Charme. Heiter-witzig oder nachdenklich-kritisch "babbelt" sie und singt ihre "Kern-Stücke", handgemachte "Pälzer" Chansons.Nicht ganz so feinfühlig gibt sich Peter Friesenhahn. Listig mit der Musik und Sprache spielend haut er auch schon mal "feste druff". Getreu dem Motto "nur keinen Streit vermeiden", legt er sich mit Gott und der Welt an. So auch mit den Winzern. Seine Feststellung: "Die jammern immer und über alles - am meisten über die langen Lieferzeiten von Mercedes."Ob Traudel Kern oder Peter Friesenhahn: Ihre Auftritte sind ein Wechselbad aus Witz, Humor, Satire, Ironie, Parodie und vielem mehr. Was dabei herauskommt ist echtes Kabarett, sei es auf Pfälzisch oder Moselfränkisch.Erinnerungen werden wach, vor allem an die Glanzzeiten dieses Genres im Berlin der 20er und 30er Jahre. Auch die damaligen Spitzenkabarettisten verdankten ihre Erfolge in erster Linie der Mundart, sprich der "schnodderigen Berliner Schnauze".Nach stürmischem Applaus war es interessant, den Dialog eines Pärchens, das eigens aus Koblenz angereist war, zu belauschen. "Schade, dass Künstler von diesem Niveau und Format nicht auch vom Fernsehen bemerkt werden", sagte die Ehefrau. Darauf antwortete der Ehemann: "Bemerkt werden die schon. Aber Niveau und Format sind die gefährlichsten Quoten-Killer."

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