Kinderzahl geht dramatisch zurück

WELSCHBILLIG-HELENENBERG. Seit einem Jahr liegt der elfte Kinder- und Jugendbericht mit der Stellungnahme der Bundesregierung vor. In einer Fachtagung setzten sich Mitarbeiter aus dem Bereich der erzieherischen Jugendhilfe mit dem Bericht auseinander.

Kinder und Jugendliche wachsen heutzutage anders als früher auf. Obwohl die Familie für die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen nach wie vor der zentrale Ort des Aufwachsens ist, hat sie doch ihre beherrschende Stellung verloren. Auch wenn sie, wie vielfach behauptet, nicht von Auflösung bedroht ist, sondern sich lediglich gewandelt hat. Das Aufwachsen in einer Welt der Globalisierung, Migration und Mobilität verlangt ein Ineinandergreifen von privater und öffentlicher Verantwortung. Niemand ist für sein Schicksal alleine verantwortlich, und niemand kann den Staat und die Gesellschaft für sein Schicksal alleine verantwortlich machen.Der Report ist 250 Seiten stark

Staat und Gesellschaft müssen die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen so gestalten, dass die Eltern und die jungen Menschen für sich selbst und für einander Verantwortung tragen können. Diese Aussagen, von Diözesancaritasdirektorin Birgit Kugel in der Einladung zur Fachtagung formuliert, unterstreichen, was der elfte Kinder- und Jugendbericht aussagt. "Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung", heißt seine Leitorientierung. Christian Schrapper, Professor für Pädagogik und Sozialpädagogik an der Universität Koblenz, stellte den Tagungsteilnehmern im Don Bosco Jugendhilfezentrum Helenenberg den Bericht vor. "Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland". So lautet der offizielle Titel des 250 Seiten starken Werkes. Es ist der erste Bericht seit der Existenz des neuen Kinder- und Jugendhilfe-Gesetzes und der Wiedervereinigung. Die Kommission, die den Bericht erarbeitete, setzte sich aus Professoren und Pädagogen aus dem Bereich der Jugendarbeit und Jugendhilfe zusammen. Eine wichtige Aussage des Berichtes sei, so Christian Schrapper, dass die starke Position des Jugendamtes als zentrale Institution in der Jugendhilfe bestätigt werde. Als Konzept müsse gelten: "Jugendhilfe ist ein Ganzes" vom Kindergarten bis zur Jugendarbeit. Weiterhin werde gefordert, die Ausbildung der Erzieher und Erzieherinnen auf Fachhochschul-Niveau anzuheben. Wesentlich sei auch, dass die Jugendhilfe zukünftig mehr Rechenschaft darüber abgeben müsse, was sie bewirke. "Da wissen wir alle viel zu wenig", sagte Schrapper. Es müsse mehr Klarheit darüber geben, welche Wirkungen und Auswirkungen im Bereich der Jugendhilfe erzeugt würden, erläuterte er. Der Report erlaubt auch einen Blick auf die demographische Entwicklung in Deutschland. Danach geht die Zahl der Kinder dramatisch zurück. "Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann wir die ersten Kindergärten schließen", glaubt Professor Schrapper. Mancherorts stelle sich die Frage bereits. Dies werde natürlich auch dramatische Folgen für die Jugendhilfe haben. In vielen Lebensbereichen wirke ein enger Zusammenhang von sozialer Lage und individuellen Entwicklungschancen, beschreibt der Bericht weiter. Trotz aller Chancen sei das soziale Kapital an Familie entscheidend für die weitere Entwicklung. Professor Schrapper beschreibt die Situation so: "Wer einmal beeinträchtigt ist, dem drohen viele weitere Beeinträchtigungen." Und er könne nicht darauf hoffen, viel Hilfe und Förderung zu erhalten. Die Familie, so ist dem Bericht zu entnehmen, hat für die Kinder an Bedeutung gewonnen. Anders als in den Generationen zuvor würden sich die Kinder bei Problemen wieder mehr an die Eltern wenden. Als Erziehungs- und Versorgungsinstanz habe ihre Bedeutung aber zu Gunsten der öffentlichen Institutionen abgenommen. Die Bedeutung der "peergroups", Clique und Freundeskreis, könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die "Entscheidung für Kinder" muss für junge Familien leicht gemacht werden, fordern die Autoren des Berichtes. Zugänge zu Kindergarten und Förderung müssen gesichert und die soziale Integration, auch von Angehörigen anderer Kulturkreise, unterstützt werden. Insgesamt, so Schrapper, falle das Fazit des Kinder- und Jugendberichts positiver aus als der vorherige Report. Wichtig sei jedoch, zu erkennen, dass sich Jugendhilfe nicht auf Nothilfe reduzieren lasse.

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